Die Schwestern, by Jakob 
Wassermann 
 
The Project Gutenberg EBook of Die Schwestern, by Jakob 
Wassermann This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost 
and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it 
away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License 
included with this eBook or online at www.gutenberg.org 
Title: Die Schwestern Drei Novellen 
Author: Jakob Wassermann 
Release Date: May 19, 2007 [EBook #21535] 
Language: German 
Character set encoding: ISO-8859-1 
*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE 
SCHWESTERN *** 
 
Produced by Markus Brenner and the Online Distributed Proofreading 
Team at http://www.pgdp.net 
 
Die Schwestern 
Drei Novellen von Jakob Wassermann
Dritte Auflage 
 
S. Fischer, Verlag, Berlin 
1907 
 
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. 
Published, May 10, 1906. Privilege of copyright in the United States 
reserved under the act approved March 3, 1905 by S. Fischer, Verlag, 
Berlin. 
 
Inhalt 
Donna Johanna von Castilien Seite 9 Sara Malcolm " 69 Clarissa 
Mirabel " 99 
 
Donna Johanna von Castilien 
Die Infantin Johanna wurde geboren beim Sterbensgeschrei von mehr 
als hundert Ketzern, die in derselben Stunde den Feuertod erlitten und 
unter demselben Fenster, hinter dem die Königin Isabella in Wehen lag. 
Des Kindes Haut zeigte eine bernsteingelbe Farbe und seine Augen 
waren groß, tief, still und düster. Außerdem hatte es unter der Brust ein 
Mal in Form eines liegenden Kreuzes, von sonderbaren helleren Linien 
umgeben, die züngelnden Flammen glichen. Am Hof entstand später 
das Gerücht, daß die Infantin den Anblick des Feuers nicht ertragen 
könne. 
Nicht wie andere Kinder hatte sie Freude an Spiel und Tand und bei 
festlichen Gelegenheiten verbarg sie sich und suchte die Einsamkeit. 
Sie lernte spät sprechen und galt bei allen, die sich auf den
menschlichen Geist verstehen, alsbald für blöde. Ihren Eltern brachte 
sie wenig Liebe entgegen, auch sah man sie niemals mit wahrer 
Inbrunst beten, doch immer wenn die Nacht kam, wurde sie noch 
scheuer als sonst und im Schlaf schrie sie wie ein Teufel aus 
peinigenden Träumen auf. 
Der König, dem das Kind ein ängstlicher und trübsinniger Anblick war, 
suchte sie mehr und mehr aus seinen Augen zu entfernen, und als sie 
elf Jahre zählte, schickte er sie ins Kloster Santa Maria de las Huelgas 
bei Burgos; sein Entschluß hiezu wurde durch den Vorfall mit dem 
englischen Windspiel bekräftigt. 
Johanna besaß nämlich ein englisches Windspiel von edler Rasse; sie 
hing mit großer Liebe an dem Tier, es mußte des Nachts neben ihrem 
Bette schlafen, sie gab ihm selbst zu fressen und führte es selbst in die 
Gärten. Das Tier war auch seinerseits der jungen Herrin treu ergeben. 
Eines Nachts aber geschah es, daß sich Johanna aus dem Schlaf erhob; 
es war ein Gewitter, und in dunkler Furcht schritt sie zum Fenster. Das 
Windspiel aber, mochte es nun durch Donner und Blitz erschreckt und 
erregt sein oder ein Traum seinen Instinkt getrübt haben, knurrte 
plötzlich und biß Johanna ins Bein. Die Wunde war ungefährlich, doch 
Johanna, obwohl sie das Tier noch eben so zärtlich liebte, hatte 
beschlossen, es müsse sterben und nichts konnte sie von ihrem Vorsatz 
abbringen. Sie wußte sich ein Dolchmesser zu verschaffen, lockte den 
Hund in einen abgelegenen Teil des Gartens und schnitt ihm dort, 
während er zu ihren Füßen lag, ruhig und schnell die Kehle durch. 
Diese Tat wurde bekannt und erzeugte teils Verwunderung, teils mehrte 
sie das stille Grauen vor der Infantin. Sie hatte auch eine Art, 
Menschen anzublicken, daß die betreffenden am liebsten Reißaus 
genommen hätten, sich jedenfalls aber heimlich bekreuzten. 
Das traurige Land um Burgos, seine kahlen Hügel, die nur, wenn die 
Sonne unterging, in einem Bad aus Purpur wie ungeheure Rubine 
funkelten; die düstere Stadt mit ihren krummen Gassen, den hohen 
getürmten Häusern, den alten Palästen mit halbverfallenen 
Schwibbögen, vergitterten Torwegen und kleinen Fenstern; dazu die 
Abgeschiedenheit des Klosters selbst, dies alles war dazu angetan,
Schleier auf Schleier um das Gemüt der Infantin zu weben. Nur ihre 
Augen strahlten aus der Dämmerung der Seele wie der Widerschein 
zweier Sterne aus dem Wasser eines tiefen Brunnens. 
Als sie an den Hof zurückkehrte, hieß es, daß sie sich auf die 
magischen Künste verstehe. Einige sagten offen, daß sie mit 
Spiegeldeutern, Menschenmachern und Rosenkreuzern zu tun habe, 
daß sie aus kochendem Wasser weissagen könne und daß sie von einem 
dänischen Schwarzkünstler gelernt habe, Mumien wieder zu beleben. 
Sicherlich verstand sie sich auf den Ringgang der Planeten um die 
Sonne, und eines Tages erzählte der Greffier, der es wiederum vom 
Turmwart wußte, daß sie oft um Mitternacht regungslos auf dem 
Balkon liege und in den gestirnten Himmel blicke. Auch befand sich in 
ihrem Schlafgemach ein Astrolabium und die Marmormaske eines 
hellenischen Gottes. 
Um diese Zeit zog einmal der Hof nach Toledo, wo in der Charwoche 
eine Reihe von Ketzergerichten abgehalten wurde. Vom Schaugerüste 
aus erblickte Johanna ein schwangeres Weib am    
    
		
	
	
	Continue reading on your phone by scaning this QR Code
 
	 	
	
	
	    Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the 
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.
	    
	    
