neulich 
schrieb. 
Am 5. Mai 
Morgen gehe ich von hier ab, und weil mein Geburtsort nur sechs 
Meilen vom Wege liegt, so will ich den auch wiedersehen, will mich 
der alten, glücklich verträumten Tage erinnern. Zu eben dem Tore will 
ich hinein gehn, aus dem meine Mutter mit mir heraus fuhr, als sie nach 
dem Tode meines Vaters den lieben, vertraulichen Ort verließ, um sich 
in ihre unerträgliche Stadt einzusperren. Adieu, Wilhelm, du sollst von 
meinem Zuge hören. 
 
Am 9. Mai 
Ich habe die Wallfahrt nach meiner Heimat mit aller Andacht eines 
Pilgrims vollendet, und manche unerwarteten Gefühle haben mich 
ergriffen. An der großen Linde, die eine Viertelstunde vor der Stadt 
nach S... zu steht, ließ ich halten, stieg aus und hieß den Postillon 
fortfahren, um zu Fuße jede Erinnerung ganz neu, lebhaft, nach
meinem Herzen zu kosten. Da stand ich nun unter der Linde, die 
ehedem, als Knabe, das Ziel und die Grenze meiner Spaziergänge 
gewesen. Wie anders! Damals sehnte ich mich in glücklicher 
Unwissenheit hinaus in die unbekannte Welt, wo ich für mein Herz so 
viele Nahrung, so vielen Genuß hoffte, meinen strebenden, sehnenden 
Busen auszufüllen und zu befriedigen. Jetzt komme ich zurück aus der 
weiten Welt--o mein Freund, mit wie viel fehlgeschlagenen 
Hoffnungen, mit wie viel zerstörten Planen!--Ich sah das Gebirge vor 
mir liegen, das tausendmal der Gegenstand meiner Wünsche gewesen 
war. Stundenlang konnt' ich hier sitzen und mich hinüber sehnen, mit 
inniger Seele mich in den Wäldern, den Tälern verlieren, die sich 
meinen Augen so freundlich-dämmernd darstellten; und wenn ich dann 
um die bestimmte Zeit wieder zurück mußte, mit welchem Widerwillen 
verließ ich nicht den lieben Platz!--Ich kam der Stadt näher, alle die 
alten, bekannten Gartenhäuschen wurden von mir gegrüßt, die neuen 
waren mir zuwider, so auch alle Veränderungen, die man sonst 
vorgenommen hatte. Ich trat zum Tor hinein und fand mich doch gleich 
und ganz wieder. Lieber, ich mag nicht ins Detail gehn; so reizend, als 
es mir war, so einförmig würde es in der Erzählung werden. Ich hatte 
beschlossen, auf dem Markte zu wohnen, gleich neben unserem alten 
Haus. Im Hingehen bemerkte ich, daß die Schulstube, wo ein ehrliches 
altes Weib unsere Kindheit zusammengepfercht hatte, in einen 
Kramladen verwandelt war. Ich erinnere mich der Unruhe, der Tränen, 
der Dumpfheit des Sinnes, der Herzensangst, die ich in dem Loche 
ausgestanden hatte.--Ich tat keinen Schritt, der nicht merkwürdig war. 
Ein Pilger im heiligen Lande trifft nicht so viele Stätten religiöser 
Erinnerungen an, und seine Seele ist schwerlich so voll heiliger 
Bewegung.--Noch eins für tausend. Ich ging den Fluß hinab, bis an 
einen gewissen Hof; das war sonst auch mein Weg, und die Plätzchen, 
wo wir Knaben uns übten, die meisten Sprünge der flachen Steine im 
Wasser hervorzubringen. Ich erinnerte mich so lebhaft, wenn ich 
manchmal stand und dem Wasser nachsah, mit wie wunderbaren 
Ahnungen ich es verfolgte, wie abenteuerlich ich mir die Gegenden 
vorstellte, wo es nun hinflösse, und wie ich da sobald Grenzen meiner 
Vorstellungskraft fand; und doch mußte das weiter gehen, immer 
weiter, bis ich mich ganz in dem Anschauen einer unsichtbaren Ferne 
verlor. --Sieh, mein Lieber, so beschränkt und so glücklich waren die
herrlichen Altväter! So kindlich ihr Gefühl, ihre Dichtung! Wenn ulyß 
von dem ungemeßnen Meer und von der unendlichen Erde spricht, das 
ist so wahr, menschlich, innig, eng und geheimnisvoll. Was hilft mich's, 
daß ich jetzt mit jedem Schulknaben nachsagen kann, daß sie rund sei? 
Der Mensch braucht nur wenige Erdschollen, um drauf zu genießen, 
weniger, um drunter zu ruhen. Nun bin ich hier, auf dem fürstlichen 
Jagdschloß. Es läßt sich noch ganz wohl mit dem Herrn leben, er ist 
wahr und einfach. Wunderliche Menschen sind um ihn herum, die ich 
gar nicht begreife. Sie scheinen keine Schelmen und haben doch auch 
nicht das Ansehen von ehrlichen Leuten. Manchmal kommen sie mir 
ehrlich vor, und ich kann ihnen doch nicht trauen. Was mir noch leid 
tut, ist, daß er oft von Sachen redet, die er nur gehört und gelesen hat, 
und zwar aus eben dem Gesichtspunkte, wie sie ihm der andere 
vorstellen mochte. Auch schätzt er meinen Verstand und meine Talente 
mehr als dies Herz, das doch mein einziger Stolz ist, das ganz und alles 
Elendes. Ach, was ich weiß, kann jeder wissen--mein Herz habe ich 
allein. 
Am 25. Mai 
Ich hatte etwas im Kopfe, davon ich euch nichts sagen wollte, bis es 
ausgeführt wäre: jetzt, da nichts draus wird, ist es ebenso gut. Ich 
wollte in den Krieg; das hat mir lange am Herzen gelegen. 
Vornehmlich darum bin ich dem Fürsten hierher gefolgt, der General in 
***schen Diensten ist. Auf einem Spaziergang entdeckte ich ihm mein 
Vorhaben; er widerriet mir es, und es müßte bei mir mehr Leidenschaft 
als Grille gewesen sein, wenn ich seinen Gründen nicht hätte Gehör 
geben wollen. 
Am 11. Junius 
Sage was du willst, ich kann nicht    
    
		
	
	
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