Die Last | Page 2

Georg Engel
und hoffnungsfreudig. Wenigstens wandte sie sich bald auf die Seite und forderte ihn mit ihrer erregten Stimme auf: ?Wilms, gib mir die Bibel von dem Tisch -- so, und nun geh -- geh nur und schlag ein Auge auf die Wirtschaft -- es mu? ja doch sein.?
Da ging der Mann schwerf?llig hinaus; allein als sich die T��r geschlossen hatte, blieb er stehen und lauschte zur��ck.
Und tr��be sch��ttelte er den Kopf. -- Mit welch fieberhafter, leidenschaftlicher Glut sein Weib dort drinnen las. Sie sang beinahe; -- ekstatisch, wie berauscht t?nten die heiligen Worte:
'Und siehe, ein Weib, das zw?lf Jahre siech war, trat zu ihm und r��hrete seines Kleides Saum an.
Da wandte sich Jesus um und sahe sie und sprach: Sei getrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Und das Weib ward gesund zur selbigen Stunde.'
?Und ward gesund zur selbigen Stunde,? wiederholte es drinnen, wie verz��ckt. Dann einen Moment Stille, aber pl?tzlich mit herzzerrei?endem Schluchzen: ?O Gott -- und ward gesund -- lieber -- lieber -- Gott.?

II.
Als Wilms auf den Hof heraustrat, atmete er tief auf. Hier wehte doch frische Luft, hier beengte ihn die Hitze der Krankenstube nicht mehr, und erfrischend rieselte der Regen auf sein entbl??tes Haupt.
Merkw��rdig. -- Er hatte doch schon so oft mitten auf seinem Geh?ft gestanden, aber heute befiel ihn zum erstenmal der Gedanke, da? all sein Hab, H?user und Scheunen, St?lle und Ger?tschaften, Menschen und Vieh wie von einem dr��ckenden Traum befangen w?ren.
Es zerfiel und zerbr?ckelte alles, es wurde morsch und verging. -- Und er selbst?
Erschreckt fuhr er auf.
Dr��ben in dem Strohdach der Kornscheuer klaffte eine betr?chtliche Spalte. Ungehindert flo? der Regen hindurch und machte ihm die Wintersaat faulen. Keiner meldete ihm den Schaden, er selbst hatte ihn nicht bemerkt.
Fr��her war er als der werkt?tigste Landwirt Vorpommerns bekannt gewesen; er allein wu?te, wie durch Zauber, dem fetten Boden dreifach die goldigen, Nahrung bringenden K?rner abzugewinnen; jetzt stand es anders. -- Es ging bergab mit ihm.
Ein Lastwagen lag in einer Ecke des Hofes auf drei R?dern. Das vierte gebrochen daneben. -- Ob man nach dem Stellmacher geschickt hatte?
Gerade schlich ein Knecht hinter dem Gef?hrt tr?ge dahin, Wilms rief ihn laut an; aber der Mann wu?te von nichts, und schon wollte ihn der Landwirt mit einem kr?ftigen Fluch zurechtweisen, da dachte er an die Kranke, und beinahe fl��sternd befahl er dem Manne, den Stellmacher zu holen.
Der Knecht trottete davon, und Wilms setzte seine grobe M��tze auf und schritt schwerf?llig die Landstra?e entlang. Zu beiden Seiten dehnten sich seine Felder.
Auf das braunschollige Ackerland rauschte h?rbar der Regen, und nur allm?hlich vermochte der Landwirt seine Leute zu erkennen, so dicht wogte der schwere Nebel um sie herum. Grau und gespenstig tauchten M?nner und Frauen aus den Wolken hervor, und verschwanden bald wieder, als h?tte sie der Boden eingesogen.
?Wie steht's mit den Kartoffeln, Karl?? fragte Wilms endlich einen jungen, flachsk?pfigen Burschen, der tiefgeb��ckt die gesammelten Knollen in einen Korb warf.
?Der Herr wei? ja -- der Regen -- es dauert schon zu lang.?
?Ja, ja? -- Wilms ballte die F?uste, und in sein ernstes, ehrliches Antlitz gruben sich tiefe Falten. Wie er sich jetzt langsam und erm��det auf einen eisernen Pflug niederlie?, der auf dem kotigen Acker herumlag, da h?tte man ihn f��r einen alten, gebrochenen Mann halten k?nnen. Und er z?hlte doch erst zweiunddrei?ig Jahre und stand in der Bl��te der Kraft.
Und die Nebel krochen um ihn herum, formten sich, ballten sich, und es war, als ob sie ein h??liches, graues Weib bildeten, zahnlos, mit wackelndem Kopf -- eine d��rre Vettel, wohlbekannt allen Bedr��ckten -- die Not, die grinsende Not, und sie hinkte auf ihn zu und streichelte ihn.
Er sank immer tiefer in sich zusammen und lie? seine Leute schaffen, was sie wollten.
Da klang Wagengerassel die Landstra?e herab. Ein elendes, ?chzendes Gef?hrt n?herte sich, und herab stieg ein wohlbeleibter Mann mit grauem Stoppelbart, und in den Stoppeln sa? ein sehr rotes, verschwollenes Gesicht, aus dem ein Paar w?sserige ?uglein und eine Hakennase lustig hervorlugten. Der Ank?mmling hie? ?Herr Rosenbl��t?, klimperte im Augenblick mit einer dicken goldenen Kette und war der Kompagnon einer in dem Landst?dtchen Grimmen sehr angesehenen Viehexportfirma. -- Ein gesetzter, umg?nglicher Mann.
Heute zeigte sich der Viehh?ndler indes sehr aufgeregt. Er schritt gleich auf den Landmann zu und pflanzte sich prustend und atemholend vor ihm auf.
?Herr Wilms,? begann er unvermittelt und fuchtelte mit seinem Stock hin und her. ?Was soll das hei?en? -- Was ist denn geschehen -- bei Ihnen zu Haus? Als ich vorbeigefahren bin ...?
?Doch nicht meine Frau?? stammelte Wilms und sprang auf -- ?nicht wahr? -- So sagen Sie's doch,? wiederholte der ungl��ckliche Mann heiser.
?Nein, nein, nicht Ihre Frau -- ich meine blo? -- -- es ist da einer von den Blauen, von den Gerichtsvollziehern. Na kommen Sie schnell auf meinen Wagen? -- und leise setzte er hinzu: ?Was wollen Sie erst einen Aufstand vor Ihren Leuten
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