kenne die Stadt und liebe sie. Wie lebt man dort eigentlich? Haben Sie viel Verkehr? Gehen Sie viel aus??
In dieser Weise fragte ich sie. Es geschah etwas l?ssig, sie war ja siebzehn Jahre alt, also ein Kind.
?Nein?, entgegnete sie in gleichgültigem Ton, ?ich gehe nicht viel aus.?
Sie wendete sich wieder an die Komte? und plauderte mit ihr, als ob ich nicht vorhanden sei.
'Etwas eigensinnig', dachte ich,?-- 'aber sch?n, mit allen Reizen der Jugend, feingliedrig und stolz, vielleicht etwas hochmütig. Hier ist etwas zu tun, Tedrahn, etwas zu schaffen ist hier! Diesen ernsten Kopf mit dem schwarzen Haar und den Augen des erwachenden Mai,?-- wo bringe ich ihn hin? Vor einen Rosenbusch am Morgen oder direkt vor den blauen Himmel, der von dünnen, wei?en, wehenden Wolken bewegt ist? Ich m?chte sie tanzen sehen, ich m?chte auch sehen, wie sie l?uft. Ich m?chte die Bewegungen ihres K?rpers sehen, die Art ihrer Schritte, und wie sie die Arme wirft, beim Tennisspiel oder beim Reifenschlagen.'
Durch meinen Kopf schwirrten zahllose lockende Malereien. Ich verwünschte es im stillen, da? Leonore Helfinger nach Carnin gekommen war, denn ich fühlte, sie würde mich malerisch besch?ftigen, ich würde Bilder der Phantasie komponieren, w?hrend ich mit meinen wirklichen Bildern w?hrend dieser letzten Tage noch gerade genug zu tun hatte. Denn in drei Tagen mu?te ich reisen, also wozu diese unnütze Verwirrung in meiner Arbeit.
Ein Diener erschien in der Glastür und bat zu Tisch. Wir gingen hinein, die andern waren schon in dem blauen Vorsaal versammelt. Der Graf machte mich mit dem Assessor bekannt. Man begab sich in das sch?ne E?zimmer, in dem schon die Lichter brannten und die Gardinen gegen den Park zu herabgelassen waren. Ich hatte meinen alten Platz neben der Gr?fin, Leonore Helfinger sa? mir schr?g gegenüber. Der Graf begrü?te sie und den Assessor, indem er sein Glas erhob. Es wurde Champagner getrunken, wie immer, wenn ein neuer Gast aus Carnin einzog.
Ich sagte leise zur Gr?fin: ?Die kleine Helfinger ist ja wundervoll. Durch meinen Kopf schwirren Bilder auf Bilder, wie ich sie malen m?chte.?
?Ich kenne sie kaum?, sagte die Gr?fin, ?nur aus Annas Erz?hlungen. Die M?dchen haben die Pensionszeit zusammen verlebt. Ich finde, sie ist sch?n zu nennen.?
Nach Tisch warfen wir die M?ntel über und gingen auf die Terrasse. Die Herren rauchten englische Zigaretten. Auch Komte? Anna zündete sich eine Zigarette an, lehnte sich in einen Korbstuhl zurück und stie? kleine W?lkchen in die Luft. Leonore stand am wei?en Gel?nder der Terrasse und sah in den Abend. Es war ein sch?ner Abend, im Dorf Carnin sangen die M?dchen wieder, der Mond stand am Himmel. Der Graf und der Assessor kamen in ein Gespr?ch über Brahms. Sie begaben sich in das Musikzimmer, und man h?rte, wie zuweilen auf dem Klavier ein Thema angeschlagen wurde. Charlotte stand neben mir und hatte ihren Arm vertraulich unter meinen geschoben.
?Heute steht der Mond schon über dem Kavalierhaus?, sagte sie, ?gestern stand er noch über den gescheckten Ulmen.?
Jetzt sah alles den Mond an. Leonore sah mit fast strengem Mund hinauf,?-- aber so streng dieser Mund erschien, es lag etwas Schw?rmerisches um ihn her. Es war wunderbar zu sehen, wie sich das Mondlicht auf den feuchten jungen Lippen brach. Der Mond stand über dem Dach des Kavalierhauses und wandelte dem riesigen Wipfel einer Kastanie zu. Nicht die mindeste Bewegung lag in der Luft. Der Hauslehrer, der an der ge?ffneten Glastür lehnte, sagte etwas von allzu lauen Frühlingsn?chten, es würde einen regnerischen Sommer geben.
?Wir sollten eine Gondelfahrt machen?, schlug die Gr?fin vor.
Alles stimmte ein, Charlotte war ganz entflammt, aber gerade sie mu?te zurückbleiben, da ihre Mutter meinte, es sei auf dem Wasser zu kühl für sie. Wir verlie?en die Terrasse: die Gr?fin, Komte? Anna, Leonore und ich. Wir schritten um das Schlo? herum und durch den dunklen Park hinab zum Teich.
Die Gr?fin setzte sich an das Steuer des Bootes, ich nahm die Ruder. Wir trieben sacht dahin. Mitunter h?rten wir am Ufer ein Plumpsen, es waren aufgeschreckte Fr?sche, die in das Wasser sprangen. Leonore und Komte? Anna sa?en dicht vor mir, der Mond schien in ihre Gesichter. Ich spürte den Duft dieser frischen, jugendlichen Gestalten. Leonore hatte ein grünes J?ckchen an, ihr Kopf war unbedeckt. Sie sah herrlich aus. Einmal merkte ich, wie sie zusammenschauerte. Es war die Abendluft über dem Wasser. Ich lenkte zum Bootssteg zurück.
Plaudernd schritten wir über den Rasen zum Schlo? hinan. Leonore lachte ein paarmal hell auf, ich wei? nicht mehr worüber. Das Lachen h?re ich noch, es war wie das Pl?tschern eines Brunnens. Ich fühlte immer deutlicher, da? ich sie malen mü?te. Als ich ihr Gutenacht wünschte, sagte sie: ?Morgen zeigen Sie mir Ihre Bilder.?
?Gewi?!? sagte ich. Meine Augen umfingen ihren Kopf mit dem schwarzen Haar wie ein Gem?lde.
In meinem Zimmer brannte die Lampe schon. Ich setzte mich hin, nahm Kreide und Papier und suchte den Umri? von Leonores Kopf zu

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