Die Hochzeit des Moenchs | Page 2

Conrad Ferdinand Meyer
oder l?cherlichem Ausgang."
Dante besann sich. Seine schwermütigen Augen betrachteten die Gesellschaft, deren Zusammensetzung ihm nicht durchaus zu mi?fallen schien; denn er entdeckte in derselben neben mancher flachen einige bedeutende Stirnen. "Hat einer unter euch den entkutteten M?nch behandelt?" ?u?erte der schon milder Gestimmte.
"Gewi?, Dante!" antwortete, sein Italienisch mit einem leichten deutschen Akzent aussprechend, ein Kriegsmann von treuherzigem Aussehen, Germano mit Namen, der einen Ringelpanzer und einen lang herabh?ngenden Schnurrbart trug. "Ich selbst erz?hlte den jungen Manuccio, welcher über die Mauern seines Klosters sprang, um Krieger zu werden."
"Er tat recht", erkl?rte Dante, "er hatte sich selbst get?uscht über seine Anlage."
"Ich, Meister", plauderte jetzt eine kecke, etwas üppige Paduanerin, namens Isotta, "habe die Helene Manente erz?hlt, welche eben die erste Locke unter der geweihten Schere verscherzt hatte, aber schnell die übrigen mit den beiden H?nden deckte und ihr Nonnengelübde verschluckte, denn sie hatte ihren in barbareske Sklaverei geratenen und h?chst wunderbar daraus erretteten Freund unter dem Volk im Schiff der Kirche erblickt, wie er die gel?sten Ketten"--sie wollte sagen: an der Mauer aufhing, aber ihr Geschw?tz wurde von dem Munde Dantes zerschnitten.
"Sie tat gut", sagte er, "denn sie handelte aus der Wahrheit ihrer verliebten Natur. Von alledem ist hier die Rede nicht, sondern von einem ganz andern Fall: Wenn n?mlich ein M?nch nicht aus eigenem Trieb, nicht aus erwachter Weltlust oder Weltkraft, nicht weil er sein Wesen verkannt h?tte, sondern einem andern zuliebe, unter dem Druck eines fremden Willens, wenn auch vielleicht aus heiligen Gründen der Piet?t, untreu an sich wird, sich selbst mehr noch als der Kirche gegebene Gelübde bricht und eine Kutte abwirft, die ihm auf dem Leib sa? und ihn nicht drückte. Wurde das schon erz?hlt? Nein? Gut, so werde ich es tun. Aber sage mir, wie endet solches Ding, mein G?nner und Beschützer?" Er hatte sich ganz gegen Cangrande gewendet.
"Notwendig schlimm", antwortete dieser ohne Besinnen. "Wer mit freiem Anlauf springt, springt gut; wer gesto?en wird, springt schlecht."
"Du redest die Wahrheit, Herr", best?tigte Dante, "und nicht anders, wenn ich ihn verstehe, meint es auch der Apostel, wo er schreibt: da? Sünde sei, was nicht aus dem Glauben gehe, das hei?t, aus der überzeugung und Wahrheit unserer Natur."
"Mu? es denn überhaupt M?nche geben?" kicherte eine ged?mpfte Stimme aus dem Halbdunkel, als wollte sie sagen: jede Befreiung aus einem an sich unnatürlichen Stand ist eine Wohltat.
Die dreiste und ketzerische ?u?erung erregte hier kein ?rgernis, denn an diesem Hof wurde das kühnste Reden über kirchliche Dinge geduldet, ja bel?chelt, w?hrend ein freies oder nur unvorsichtiges Wort über den Herrscher, seine Person oder seine Politik, verderben konnte.
Dantes Auge suchte den Sprecher und entdeckte denselben in einem vornehmen, jungen Kleriker, dessen Finger mit dem kostbaren Kreuze t?ndelten, welches er über dem geistlichen Gewand trug.
"Nicht meinetwegen", gab der Florentiner bed?chtig zur Antwort. "M?gen die M?nche aussterben, sobald ein Geschlecht ersteht, welches die beiden h?chsten Kr?fte der Menschenseele, die sich auszuschlie?en scheinen, die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit vereinigen lernt. Bis zu jener sp?ten Weltstunde verwalte der Staat die eine, die Kirche die andere. Da aber die übung der Barmherzigkeit eine durchaus selbstlose Seele fordert, so sind die drei m?nchischen Gelübde gerechtfertigt; denn es ist weniger schwer, wie die Erfahrung lehrt, der Lust ganz als halb zu entsagen."
"Gibt es aber nicht mehr schlechte M?nche als gute?" fragte der geistliche Zweifler weiter.
"Nein", behauptete Dante, "wenn man die menschliche Schwachheit berücksichtigt. Es mü?te denn mehr ungerechte Richter als gerechte, mehr feige Krieger als beherzte, mehr schlechte Menschen als gute geben."
"Und ist das nicht der Fall?" flüsterte der im Halbdunkel.
"Nein", entschied Dante, und eine himmlische Verkl?rung erleuchtete seine strengen Züge. "Fragt und untersucht unsere Philosophie nicht: wie ist das B?se in die Welt gekommen? W?ren die B?sen in der Mehrzahl, so fragten wir: wie kam das Gute in die Welt?"
Diese stolzen und dunkeln S?tze imponierten der Gesellschaft, erregten aber auch die Besorgnis, der Florentiner m?chte sich in seine Scholastik vertiefen statt in seine Geschichte.
Cangrande sah, wie seine junge Freundin ein hübsches G?hnen verwand. Unter solchen Umst?nden ergriff er das Wort und fragte: "Erz?hlst du uns eine wahre Geschichte, mein Dante, nach Dokumenten? oder eine Sage des Volksmunds? oder eine Erfindung deiner bekr?nzten Stirne?"
Dieser antwortete langsam betonend: "Ich entwickle meine Geschichte aus einer Grabschrift."
"Aus einer Grabschrift?"
"Aus einer Grabschrift, die ich vor Jahren bei den Franziskanern in Padua gelesen habe. Der Stein, welcher sie tr?gt, lag in einem Winkel des Klostergartens, allerdings unter wildem Rosengestr?uch versteckt, aber doch den Novizen zug?nglich, wenn sie auf allen vieren krochen und sich eine von Dornen zerkritzte Wange nicht reuen lie?en. Ich befahl dem Prior--will sagen, ich ersuchte ihn, den fraglichen Stein in die Bibliothek zu versetzen und unter die Hut eines Greises zu stellen."
"Was sagte denn der Stein?" lie? sich jetzt die Gemahlin des Fürsten nachl?ssig vernehmen.
"Die Inschrift", erwiderte Dante, "war lateinisch und lautete: Hic jacet monachus Astorre cum uxore Antiope. Sepeliebat Azzolinus."
"Was hei?t denn
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