Die Geburt der Tragoedie
by 
Friedrich Wilhelm Nietzsche 
 
The Project Gutenberg EBook of Die Geburt der Tragoedie 
by Friedrich Wilhelm Nietzsche Copyright laws are changing all over 
the world. Be sure to check the copyright laws for your country before 
downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg 
eBook. 
This header should be the first thing seen when viewing this Project 
Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the 
header without written permission. 
Please read the "legal small print," and other information about the 
eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is 
important information about your specific rights and restrictions in how 
the file may be used. You can also find out about how to make a 
donation to Project Gutenberg, and how to get involved. 
**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts** 
**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 
1971** 
*****These eBooks Were Prepared By Thousands of 
Volunteers!***** 
Title: Die Geburt der Tragoedie 
Author: Friedrich Wilhelm Nietzsche
Release Date: January, 2005 [EBook #7206] [This file was first posted 
on March 26, 2003] 
Edition: 10 
Language: German 
Character set encoding: ISO Latin-1 
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DIE 
GEBURT DER TRAGOEDIE *** 
 
This text has been derived from HTML files at "Projekt Gutenberg - 
DE" (http://www.gutenberg2000.de/nietzsche/tragoedi/tragoedi.htm), 
prepared by 
[email protected]. 
 
Friedrich Nietzsche 
Die Geburt der Tragödie 
Versuch einer Selbstkritik. 
 
1. 
Was auch diesem fragwürdigen Buche zu Grunde liegen mag: es muss 
eine Frage ersten Ranges und Reizes gewesen sein, noch dazu eine tief 
persönliche Frage, - Zeugniss dafür ist die Zeit, in der es entstand, trotz 
der es entstand, die aufregende Zeit des deutsch-französischen Krieges 
von 1870/71. Während die Donner der Schlacht von Wörth über 
Europa weggiengen, sass der Grübler und Räthselfreund, dem die 
Vaterschaft dieses Buches zu Theil ward, irgendwo in einem Winkel 
der Alpen, sehr vergrübelt und verräthselt, folglich sehr bekümmert und 
unbekümmert zugleich, und schrieb seine Gedanken über die Griechen 
nieder, - den Kern des wunderlichen und schlecht zugänglichen Buches,
dem diese späte Vorrede (oder Nachrede) gewidmet sein soll. Einige 
Wochen darauf: und er befand sich selbst unter den Mauern von Metz, 
immer noch nicht losgekommen von den Fragezeichen, die er zur 
vorgeblichen "Heiterkeit" der Griechen und der griechischen Kunst 
gesetzt hatte; bis er endlich in jenem Monat tiefster Spannung, als man 
in Versailles über den Frieden berieth, auch mit sich zum Frieden kam 
und, langsam von einer aus dem Felde heimgebrachten Krankheit 
genesend, die "Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik" 
letztgültig bei sich feststellte. - Aus der Musik? Musik und Tragödie? 
Griechen und Tragödien-Musik? Griechen und das Kunstwerk des 
Pessimismus? Die wohlgerathenste, schönste, bestbeneidete, zum 
Leben verführendste Art der bisherigen Menschen, die Griechen - wie? 
gerade sie hatten die Tragödie nöthig? Mehr noch - die Kunst? Wozu - 
griechische Kunst? 
Man erräth, an welche Stelle hiermit das grosse Fragezeichen vom 
Werth des Daseins gesetzt war. Ist Pessimismus nothwendig das 
Zeichen des Niedergangs, Verfalls, des Missrathenseins, der ermüdeten 
und geschwächten Instinkte? - wie er es bei den Indern war, wie er es, 
allem Anschein nach, bei uns, den "modernen" Menschen und 
Europäern ist? Giebt es einen Pessimismus der Stärke? Eine 
intellektuelle Vorneigung für das Harte, Schauerliche, Böse, 
Problematische des Daseins aus Wohlsein, aus überströmender 
Gesundheit, aus Fülle des Daseins? Giebt es vielleicht ein Leiden an 
der Ueberfülle selbst? Eine versucherische Tapferkeit des schärfsten 
Blicks, die nach dem Furchtbaren verlangt, als nach dem Feinde, dem 
würdigen Feinde, an dem sie ihre Kraft erproben kann? an dem sie 
lernen will, was "das Fürchten" ist? Was bedeutet, gerade bei den 
Griechen der besten, stärksten, tapfersten Zeit, der tragische Mythus? 
Und das ungeheure Phänomen des Dionysischen? Was, aus ihm 
geboren, die Tragödie? - Und wiederum: das, woran die Tragödie starb, 
der Sokratismus der Moral, die Dialektik, Genügsamkeit und Heiterkeit 
des theoretischen Menschen - wie? könnte nicht gerade dieser 
Sokratismus ein Zeichen des Niedergangs, der Ermüdung, Erkrankung, 
der anarchisch sich lösenden Instinkte sein? Und die "griechische 
Heiterkeit" des späteren Griechenthums nur eine Abendröthe? Der 
epikurische Wille gegen den Pessimismus nur eine Vorsicht des
Leidenden? Und die Wissenschaft selbst, unsere Wissenschaft - ja, was 
bedeutet überhaupt, als Symptom des Lebens angesehn, alle 
Wissenschaft? Wozu, schlimmer noch, woher - alle Wissenschaft? Wie? 
Ist Wissenschaftlichkeit vielleicht nur eine Furcht und Ausflucht vor 
dem Pessimismus? Eine feine Nothwehr gegen - die Wahrheit? Und, 
moralisch geredet, etwas wie Feig- und Falschheit? Unmoralisch 
geredet, eine Schlauheit? Oh Sokrates, Sokrates, war das vielleicht dein 
Geheimniss? Oh geheimnissvoller Ironiker, war dies vielleicht deine - 
Ironie? - - 
2. 
Was ich damals zu fassen bekam, etwas Furchtbares und Gefährliches, 
ein Problem mit Hörnern, nicht nothwendig gerade ein Stier, jedenfalls 
ein neues Problem: heute würde ich sagen, dass es das Problem der 
Wissenschaft selbst war - Wissenschaft zum ersten Male als 
problematisch, als fragwürdig