Die Familie Pfäffling | Page 4

Agnes Sapper
Haus zu, sagte genug.
"Er hat wahrhaftig die Schulzeit vergessen," rief Herr Pf?ffling, "daran ist wieder nur das verwünschte Harmonikaspielen schuld!" Als Frieder die Treppe heraufkam--ohne jegliche Rücksicht auf abgetretene Stufen--streckte der Vater ihm schon den Arm entgegen und nahm ihm die geliebte Harmonika aus der Hand mit den Worten: "Damit ist's aus und vorbei, wenn du sogar die Schulzeit darüber vergi?t!"
Frieder beachtete es kaum, so sehr war er erschrocken. "Sind alle andern schon fort? Ist's schon arg sp?t?" fragte er, w?hrend er ins Zimmer lief, um seine Bücher zu holen. Elschen stand zitternd und strampelnd vor Aufregung dabei, w?hrend er seine Hefte zusammenpackte, rief immer verzweifelter: "Schnell, schnell, schnell!" und hielt ihm seine Mütze hin, bis er endlich ohne Gru? davoneilte. Auf halber Treppe blieb er aber noch einmal stehen und rief kl?glich herauf: "Mutter, was soll ich denn zum Lehrer sagen?" "Sage nur gleich: es tut mir leid," rief sie ihm nach. So rannte er die Frühlingsstra?e hinunter und rief in seiner Angst immer laut vor sich hin: "Es tut mir leid." Die Vorübergehenden sahen ihm mitleidig l?chelnd nach--es war leicht zu erraten, was dem kleinen Schulbuben leid tat, denn es schlug schon halb drei Uhr, als er um die Ecke der Frühlingsstra?e bog.
Herr Pf?ffling nahm die Harmonika und besah sie genauer, ehe er sie in seinen Schrank schlo?. "Redlich abgenützt ist sie," sagte er sich, "sie wird bald den Dienst versagen und den kleinen Spieler nimmer in Versuchung führen. Es hat wohl auch keinen Tag gegeben in den letzten zwei Jahren, an dem er sie nicht benützt hat. Er ist ein kleiner Künstler auf dem Instrument, aber er wei? es nicht und das ist gut und von den Geschwistern h?rt er auch keine Schmeicheleien, sie ?rgern sich ja nur über den kleinen Virtuosen. Ich wollte, ich h?tte auch nur einen Schüler, der so begabt w?re wie Frieder! Aber da? er seine Schule über der Musik vers?umt oder ganz vergi?t wie heute, das ist doch ein starkes Stück am ersten Schultag, das geht doch nicht an," und nun wurde die Harmonika eingeschlossen.
War Frieder als letzter in die Schule gekommen, so kam er auch als letzter heraus. Die Geschwister daheim h?rten von der kleinen Schwester, was vorgefallen war, und berieten, wie es ihm in der Schule ergangen sein mochte. Sie hatten viel Erfahrungen bei allerlei Lehrern gesammelt, und die Wahrscheinlichkeit sprach ihnen dafür, da? es glimpflich abgehen würde. Aber Frieder hatte einen neuen Lehrer, den kannte man noch nicht und die neuen waren oft scharf. Als nun endlich der Jüngste heimkam und ins Zimmer trat, wo sie alle beisammen waren, sahen sie ihn begierig, zum Teil auch ein wenig sp?ttisch an. Aber das Sp?ttische verging ihnen bald beim Anblick des kleinen Mannes. Er sah so kl?glich verweint aus! Keine Frage, der Lehrer war scharf gewesen. Zuerst wollte Frieder nicht recht herausrücken mit der Sprache, denn der Vater war auch im Zimmer und das war in Erinnerung an sein zürnendes Gesicht und die weggenommene Harmonika nicht aufmunternd für Frieder. Aber Herr Pf?ffling ging ans Fenster, trommelte einen Marsch auf den Scheiben und achtete offenbar nicht auf die Kinder. Da hatte Marie bald alles aus dem kleinen Bruder herausgefragt, denn sie hatte immer etwas Mütterliches gegen die Kleinen, auch der Mutter Stimme. So erz?hlte denn Frieder, da? der Lehrer ihm zuerst nur gewinkt h?tte, sich auf seinen Platz zu setzen, aber nach der Schule hatte Frieder vorkommen müssen, ja und dann--dann stockte der Bericht. Aber die Geschwister kannten sich aus, sie nahmen seine H?nde in Augenschein, die waren auf der Innenseite rot und dick. "Wieviel?" fragte Marie. "Zwei." "Das geht noch an," meinte Karl, der gro?e. "Es kommt darauf an, ob's gesalzene waren," und nun erz?hlte Wilhelm, der zweite: "Bei uns hat einer auch einmal die Schule vergessen, dann hat er zum Lehrer gesagt, er habe Nasenbluten bekommen und so ist er ohne alles durchgeschlupft, der war schlau!" Da h?rte auf einmal das Trommeln an den Fensterscheiben auf, der Vater wandte sich um und sagte: "Der war ein Lügner und das ist der Frieder nicht. Geh her, du kleines Dummerle du, wenn dir der Lehrer selbst deinen Denkzettel gegeben hat, dann brauchst du von mir keinen, du bekommst deine Harmonika wieder, aber--"
Die gute Lehre, die dem kleinen Schulknaben zugedacht war, unterblieb, denn in diesem Augenblick kam durchs Nebenzimmer Frau Pf?ffling und sagte eilfertig: "Kinder, warum macht ihr nicht auf? Ich habe hinten im Bügelzimmer das Klingeln geh?rt und ihr seid vornen und achtet nicht darauf!" Schuldbewu?t liefen die der Türe am n?chsten Stehenden hinaus und riefen bald darauf den Vater ab, in freudiger Erregung verkündend: "Es handelt sich um Stunden! Eine vornehme Dame mit einem Fr?ulein ist da!" "Und ihr habt sie zweimal klingeln lassen! Wenn sie nun fortgegangen w?ren!" sagte die Mutter vorwurfsvoll.
"Manchmal ist's recht unbequem, da? Walburg taub ist," meinte
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