Die Abtissin von Castro | Page 2

Stendhal
eine w��tende Leidenschaft. Auch S��nec�� liebte sie; aber es waren schon acht Monate her, da? dieses Verh?ltnis dauerte, und die Zeit, welche die Leidenschaft einer Italienerin verdoppelt, t?tet die eines Franzosen. Die Eitelkeit des Chevalier tr?stete ihn ein wenig ��ber seine Langeweile: er hatte schon zwei oder drei Bildnisse der Campobasso nach Paris geschickt. Er ��bertrug die Gleichg��ltigkeit seines Charakters gegen G��ter und Vorteile aller Art, mit denen er seit seiner Kindheit ��bersch��ttet worden war, auch auf die Interessen der Eitelkeit, die sonst die Herren seiner Nation gew?hnlich sehr besorgt h��ten.
S��nec�� verstand nicht im geringsten den Charakter seiner Geliebten; deshalb bel?stigten ihn ?fters ihre Seltsamkeiten. So hatte er jedesmal an allen kirchlichen Feiertagen, wie am Festtag der Heiligen Balbina, deren Namen sie trug, die Verz��ckungen und die Selbstanklagen einer gl��henden und wahren Fr?mmigkeit auszuhalten. S��nec�� hatte seine Geliebte nicht die Religion vergessen lassen, wie dies bei den gew?hnlichen Frauen Italiens vorkommt; er hatte sie nur mit starker Kraft besiegt, und der Kampf erneuerte sich immer wieder.
Dieses Hindernis, das erste, das dem mit allen Gaben des Gl��ckes ��bersch��tteten jungen Mann in seinem Leben begegnet war, hielt die Gewohnheit lebendig, z?rtlich und zuvorkommend gegen die F��rstin zu sein; von Zeit zu Zeit erachtete er es f��r seine Pflicht, sie zu lieben. S��nec�� hatte nur einen Vertrauten in seinem Botschafter, dem Herzog von Saint-Aignan, dem er durch die Campobasso manchen Dienst leisten konnte. Au?erdem war ihm die Bedeutung, die er durch seine Liebesaff?re in den Augen des Botschafters gewann, au?erordentlich schmeichelhaft. Die Campobasso, ganz anders als er, war dagegen von der gesellschaftlichen Stellung ihres Liebhabers gar nicht ber��hrt. Geliebt oder nicht geliebt zu sein war alles f��r sie. "Ich opfere ihm meine ewige Seligkeit," sagte sie, "und er, der ein H?retiker, ein Franzose ist, kann mir nichts, was dem gleicht, opfern." Aber sobald der Chevalier erschien, f��llte seine gef?llige und dabei so ungezwungene Heiterkeit die Seele der Campobasso mit Entz��cken und bezauberte sie. Bei seinem Anblick verschwand alles, was sie sich ihm zu sagen vorgenommen hatte, und alle tr��ben Gedanken. Dieser f��r diese hochm��tige Seele so neue Zustand hielt noch lange an, nachdem S��nec�� gegangen war. Und schlie?lich fand sie, da? sie fern von S��nec�� weder denken noch leben k?nne.
W?hrend in Rom durch zwei Jahrhunderte die Spanier in Mode gewesen waren, begann man sich damals ein wenig den Franzosen zuzuneigen. Man begann, einen Charakter zu verstehn, der Vergn��gen und Heiterkeit ��berall hinbrachte, wo er sich zeigte, und diesen Charakter gab es damals nur in Frankreich; seit der Revolution von 1789 gibt es ihn nirgends mehr. Denn eine so best?ndige Frohm��tigkeit braucht Unbek��mmertsein, Sorglosigkeit, und es gibt f��r niemand mehr heute eine sichere Zukunft in Frankreich, nicht einmal f��r geniale Menschen, falls es solche g?be. Es herrscht erkl?rter Krieg zwischen Menschen vom Schlage S��nec��s und der Masse der Nation. Auch Rom war damals vom heutigen Rom sehr verschieden. Um 1726 hatte man keine Ahnung von dem, was sich siebenundsechzig Jahre sp?ter ereignen sollte, als das von einigen Geistlichen aufgehetzte Volk den Jakobiner Basseville umbrachte, der, wie er sagte, die Hauptstadt der christlichen Welt zivilisieren wollte.
Durch S��nec�� hatte die Campobasso zum erstenmal die Vernunft verloren, hatte sich, aus Gr��nden, die vom gesunden Menschenverstand nicht gebilligt werden, bald im Himmel befunden, bald im f��rchterlichen Ungl��ck. Nun hatte S��nec�� auch die Religion besiegt; nun mu?te sich diese Liebe, welche f��r diese strenge und wahre Frau weit gr??ere und ganz andere Bedeutung als die Vernunft hatte, schnell in die wildeste Leidenschaft steigern.
Die F��rstin hatte einen Monsignore Ferraterra beg��nstigt und seine Laufbahn erleichtert. Wie wurde ihr zumute, als dieser Ferraterra ihr mitteilte, da? S��nec�� nicht nur ?fter als ��blich zur Orsini gehe, sondern da? die Gr?fin seinetwegen den ber��hmten Kastraten fortgeschickt habe, der seit mehreren Wochen ihr offizieller Liebhaber gewesen war!
Hier beginnt, was wir zu erz?hlen haben: An dem Abend des Tages, wo die Campobasso diese verh?ngnisvolle Nachricht erhalten hatte.
Sie sa? reglos in einem hohen Lehnstuhl aus goldfarbenem Leder. Neben ihr, auf einem kleinen schwarzen Marmortisch standen auf hohen F��?en zwei silberne Lampen, Meisterwerke des Cellini, und erleuchteten kaum das Dunkel eines weitl?ufigen Saales im Erdgescho? ihres Palastes. Kaum, da? Licht auf die Gem?lde an den W?nden fiel, die nachgedunkelt waren; denn die Zeit der gro?en Maler lag damals schon weit zur��ck.
Der F��rstin gegen��ber und fast zu ihren F��?en zeigte der junge S��nec�� auf einem kleinen Stuhl aus Ebenholz, mit Ornamenten aus massivem Gold verziert, seine elegante Person. Die F��rstin hatte den Blick auf ihn gerichtet; sie war ihm nicht entgegengeeilt, als er eintrat, hatte sich nicht in seine Arme gest��rzt und nicht ein Wort an ihn gerichtet.
Im Jahre 1726 war Paris schon K?nigin des reichen und eleganten Lebens. S��nec�� lie? durch Kuriere regelm??ig alles kommen, was die Reize eines der h��bschesten M?nner Frankreichs hervorheben konnte. Trotz der f��r einen Mann seines Ranges nat��rlichen Sicherheit, noch dadurch verst?rkt, da?
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