Die Abtissin von Castro

Stendhal
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Die Abtissin von Castro, by Stendhal

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Title: Die Abtissin von Castro
Author: Stendhal
Release Date: December 11, 2004 [EBook #14330]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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STENDHAL

DIE ?BTISSIN VON CASTRO

DER NOVELLEN ZWEITER BAND
GEORG MüLLER VERLAG * MüNCHEN 1922
Alle Rechte vorbehalten * Erstes bis drittes Tausend

DIE FüRSTIN VON CAMPOBASSO
üBERTRAGEN VON M. VON MUSIL
Ich übersetze aus einem italienischen Chronisten den genauen Bericht über die Liebschaft einer r?mischen Fürstin mit einem Franzosen. Es war im Jahre 1726, und alle Mi?br?uche des Nepotismus blühten damals in Rom; niemals war der Hof gl?nzender gewesen. Benedikt XIII. Orsini regierte, oder vielmehr: es leitete sein Neffe, der Fürst Campobasso unter seinem Namen alle Gesch?fte. Von allen Seiten str?mten Fremde nach Rom; italienische Fürsten, spanische Granden, noch reich an Gold der Neuen Welt, kamen in Menge, und wer reich und m?chtig war, stand dort über den Gesetzen. Galanterie und Verschwendung schienen die einzige Besch?ftigung aller dieser Fremden aller Nationen zu sein.
Des Papstes beide Nichten, die Gr?fin Orsini und die Fürstin Campobasso genossen vor allen die Macht ihres Oheims und die Huldigungen des Hofs. Ihre Sch?nheit h?tte sie aber auch aus den untersten Schichten der Gesellschaft hervorgehoben. Die Orsini, wie man sie famili?r in Rom nannte, war heiter und, wie man hier sagt, disinvolta, die Campobasso z?rtlich und fromm, aber diese z?rtliche Seele war der gewaltt?tigsten Leidenschaften f?hig. Obgleich sie nicht erkl?rte Feindinnen waren und nicht nur jeden Tag sich am p?pstlichen Hof trafen, sondern sich auch oft besuchten, waren diese Damen Rivalinnen in allem: Sch?nheit, Ansehen und Glücksgütern.
Gr?fin Orsini, weniger hübsch, aber gl?nzend, ungezwungen, beweglich und für Intrigen begeistert, hatte Liebhaber, die sie wenig kümmerten und nicht l?nger als einen Tag beherrschten. Ihr Glück war, zweihundert Menschen in ihren Salons zu sehn und unter ihnen als K?nigin zu gl?nzen. Sie lachte über ihre Kusine Campobasso, welche die Ausdauer gehabt hatte, sich drei Jahre hindurch mit einem spanischen Herzog zu kompromittieren, um ihm schlie?lich sagen zu lassen, da? er Rom binnen vierundzwanzig Stunden zu verlassen habe, wenn ihm sein Leben lieb sei. "Seit diesem gro?en Hinauswurf", sagte die Orsini, "hat meine erhabene Kusine nicht mehr gel?chelt. Seit einigen Monaten ist es klar, da? die arme Frau vor Langweile oder vor Liebe stirbt, aber ihr gewitzter Gatte rühmt dem Papst, unserm Oheim, diese Langweile als hohe Fr?mmigkeit. Bald aber wird sie diese Fr?mmigkeit dazu bringen, eine Pilgerfahrt nach Spanien zu unternehmen."
Indes war die Campobasso weit davon, ihren spanischen Herzog zu vermissen, der sie w?hrend seiner Herrschaft t?dlich gelangweilt hatte. H?tte sie ihn vermi?t, würde sie ihn zurückgerufen haben, denn sie besa? jenen in Rom nicht seltenen Charakter, ebenso natürlich und unmittelbar in der Gleichgültigkeit wie in der Leidenschaft zu sein. In ihrer exaltierten Fr?mmigkeit bei ihren kaum dreiundzwanzig Jahren und in der Blüte aller Sch?nheit widerfuhr es ihr, da? sie sich eines Tags vor ihrem Oheim auf die Knie warf und ihn um den p?pstlichen Segen bat, der -- was nicht genug bekannt ist -- ohne jede vorhergehende Beichte von allen Sünden freispricht, mit Ausnahme zweier oder dreier Todsünden. Der gute Benedikt XIII. aber weinte vor Z?rtlichkeit: "Erhebe dich, meine Nichte, du hast meinen Segen nicht notwendig, denn du giltst mehr als ich in den Augen des Herrn."
Aber trotz seiner Unfehlbarkeit t?uschte sich Seine Heiligkeit hierin, wie übrigens ganz Rom. Die Campobasso war kopflos verliebt und ihr Geliebter teilte ihre Leidenschaft; und dennoch war sie sehr unglücklich. Schon seit mehreren Monaten traf sie fast jeden Tag den Chevalier von Sénecé, den Neffen des Herzogs von Saint-Aignan, welcher damals Botschafter Ludwigs XV. in Rom war.
Sohn einer der M?tressen Philipps von Orléans, war der junge Sénecé stets Gegenstand der ausgew?hltesten Gunstbezeugungen gewesen. Schon lange Oberst, obgleich er kaum zweiundzwanzig Jahre z?hlte, hatte er einige anma?ende Gewohnheiten, doch ohne Unversch?mtheit. Natürliche Fr?hlichkeit, das Verlangen, sich immer zu unterhalten und alles unterhaltsam zu finden, Unbesonnenheit, Mut und Güte zeichneten seinen Charakter eigentümlich aus, von dem man freilich damals lobend nur h?tte sagen k?nnen, da? er in allem ein Musterbeispiel des Charakters seiner Nation war. Diese nationale Eigenart hatte vom ersten Augenblick an die Campobasso berückt. "Ich mi?traue Ihnen, Sie sind Franzose", hatte sie ihm gesagt, "aber ich sage Ihnen etwas im voraus: Den Tag, wo man in Rom wissen wird, da? ich Sie manchmal im Geheimen empfange, werde ich überzeugt sein, da? Sie selber das verbreitet haben, und ich werde Sie nicht mehr lieben."
So mit der Liebe spielend verstrickte sich die Campobasso in
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