Der Todesgruß der Legionen, 3. Band | Page 2

Johann Ferdinand Martin Oskar Meding
Bordeaux, die schlimmsten
Städte haben abgestimmt, und dennoch ergiebt sich nach den
vorliegenden Nachrichten bereits eine Summe von einer Million
400,000 Stimmen für "Ja" und nur 200,000 für "Nein." Wenn es so
weiter geht, so ist der Sieg gewiß."
Der Dienst thuende Kammerdiener meldete den Groß-Siegelbewahrer.
"Er ist willkommen," rief der Kaiser lebhaft und ging rasch nach der
Thür hin, durch welche Herr Ollivier lächelnd und freudig bewegt
eintrat. Er ergriff mit tiefer Verneigung die dargebotene Hand des
Kaisers, zog dann einige Telegramme aus seiner Tasche und rief, ohne
die Anrede seines Souverains abzuwarten:
"Alles geht vortrefflich, Sire, bis heute morgen war das Resultat von
hundertundsechzig Wahlbezirken bekannt. Die Zahl der eingetriebenen

Wähler betrug 3,671,400 davon haben 2,614,000 mit Ja gestimmt und
432,000 mit Nein. So eben," fuhr er fort, "habe ich dieses zweite
Telegramm erhalten, nach welchem nunmehr bis auf sechsundzwanzig
Wahlbezirke die Resultate sämmtlich bekannt sind. Für Ja stimmten
hiernach 6,399,000, mit Nein 1,349,000. Die Stimmen der Armee und
der Marine und der Bevölkerung von Algier sind hierbei noch nicht
mitgerechnet; da die Gesammtzahl der Stimmenden ungefähr auf acht
bis zehn Millionen anzuschlagen ist, so ist eine colossale Majorität
bereits gesichert."
Der Kaiser athmete tief auf und drückte noch einmal herzlich die Hand
seines Ministers.
"Das Glück steht mir noch zur Seite," sagte er halblaut, mehr seinem
frühern Gedankengang folgend, als zu Herrn Ollivier sprechend. "Dies
glänzende Resultat," sagte er dann mit unendlich liebenswürdiger
Verbindlichkeit, "habe ich zum großen Theil meinen Ministern und
Ihnen ins Besondere, mein lieber Herr Ollivier, zu verdanken, da Sie es
verstanden haben, die Sympathien des ganzen Volkes um die
kaiserliche Regierung zu vereinigen, und vielleicht war dieses
unglückliche traurige Complott, das man entdeckt hat, ebenfalls eine
glückliche Fügung, da gerade dadurch dem ganzen Lande klar
geworden ist, von welchen Gefahren die Ordnung des Staats und der
Gesellschaft bedroht wird, von Gefahren, gegen welche nur ein
freisinniges und kraftvolles kaiserliches Regiment Schutz und Rettung
bieten kann. Seien Sie überzeugt, daß ich die Dienste, welche Sie dem
Lande, mir und meinem Hause geleistet haben, niemals vergessen
werde."
Herr Ollivier verneigte sich mit zufriedenem Lächeln.
"Eure Majestät haben ganz mit Recht bemerkt," sagte er dann, "daß das
verbrecherische Complott, welches die Wachsamkeit der Polizei vor
einigen Tagen entdeckt, sehr günstig auf die Theilnahme der gut
gesinnten Bevölkerung auf die Abstimmungen gewirkt hat,--dessen
ungeachtet" fuhr er fort, "bleibt die Sache sehr zu beklagen, denn Alles,
was man bis jetzt ermittelt hat, zeigt deutlich, daß man es hier mit
einem tief angelegten Plan unversöhnlicher Verschwörer zu thun hat,

und ich bitte Eure Majestät zu genehmigen, daß nicht wie in frühern
ähnlichen Fällen die Angelegenheit mit der Ihnen persönlich so nahe
liegenden Milde behandelt, sondern daß hier mit der äußersten Strenge
vorgegangen werde, um ein für allemal ernstlich und nachdrücklich
von ähnlichen Unternehmungen abzuschrecken.
"Es widerstrebt mir," sagte der Kaiser mit einem sanften weichen
Ausdruck, "Unternehmungen, welche gegen meine Person und mein
Leben gerichtet sind, mit äußerster Strenge zu verfolgen. Nach meinem
Gefühl möchte ich Wahnsinnige, die derartiges versuchen, am liebsten
völlig ungestraft lassen, und das um so mehr in einem Augenblick, in
welchem mir das ganze Volk auf eine so glänzende Weise sein
Vertrauen bezeigt. Doch," fuhr er ernster fort, "es handelt sich hier
nicht allein um mich, man hat nicht nur mich bedroht, sondern zugleich
die Sicherheit des ganzen Staatsgebäudes, wie ich dasselbe unter
Mitwirkung der besten Kräfte des Landes und der Acclamation des
ganzen Volkes errichtet habe; hier darf keine Milde walten! Was hat
man weiter entdeckt," fuhr er fort. "Ich bin sehr gespannt auf die
Ermittelung des Zusammenhangs der Verschwörung."
"Der Polizeipräfect befindet sich in Eurer Majestät Vorzimmer,"
erwiderte Herr Ollivier, "und wenn Sie es erlauben, kann er hier
sogleich seinen Bericht erstatten, und Eure Majestät können die
Maßregeln genehmigen, welche ich zur gerichtlichen Verfolgung der
Verbrecher und zum Schutz der öffentlichen Sicherheit vorschlagen
möchte."
Der Kaiser neigte zustimmend den Kopf.
Herr Ollivier ging hinaus und kehrte nach wenigen Augenblicken mit
dem Polizeipräfecten Pietri zurück, dessen bleiches, scharfes Gesicht
unbeweglich und kalt wie immer war und dessen scharfe Augen fast
noch stechender als gewöhnlich unter dem tiefen Schatten der
vorspringenden Stirn hervorblickten.
Auf den Wink des Kaisers nahmen der Justizminister und der
Polizeipräfect neben dem Schreibtisch Platz, während Napoleon sich in
seinen Lehnstuhl niedersinken ließ,--den Ellenbogen auf das Knie

gestützt blickte er Herrn Pietri fragend und erwartungsvoll an.
"Eurer Majestät," begann dieser, indem er eine kleine Mappe öffnete
und mehrere Papiere aus derselben hervorzog, "erlaube ich mir
mitzutheilen, daß der frühere Corporal Beaury in seiner Wohnung in
der Rue St. Maur, die er nach seiner Ankunft aus London bezogen hatte,
verhaftet wurde. Man hat bei ihm einen Dolch und einen Revolver, eine
Summe von etwas über dreihundert Francs gefunden, zugleich aber
auch vor allen Dingen Briefe von Gustav Flourens aus London, welche
zweifellos beweisen, daß Beaury den Auftrag
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