Kindern und erzählte uns allerlei Dinge, 
mitunter auch scherzhafte Geschichten und Märchen. Das Buch, in dem 
er gelesen hatte, stellte er genau immer wieder in den Schrein, aus dem 
er es genommen hatte, und wenn man gleich nach seinem Heraustritte 
in das Bücherzimmer ging, konnte man nicht im geringsten 
wahrnehmen, daß eben jemand hier gewesen sei und gelesen habe. 
Überhaupt durfte bei dem Vater kein Zimmer die Spuren des 
unmittelbaren Gebrauches zeigen, sondern mußte immer aufgeräumt 
sein, als wäre es ein Prunkzimmer. Es sollte dafür aber aussprechen, zu 
was es besonders bestimmt sei. Die gemischten Zimmer, wie er sich 
ausdrückte, die mehreres zugleich sein können, Schlafzimmer, 
Spielzimmer und dergleichen, konnte er nicht leiden. Jedes Ding und 
jeder Mensch, pflegte er zu sagen, könne nur eines sein, dieses aber 
muß er ganz sein. Dieser Zug strenger Genauigkeit prägte sich uns ein 
und ließ uns auf die Befehle der Eltern achten, wenn wir sie auch nicht 
verstanden. So zum Beispiele durften nicht einmal wir Kinder das 
Schlafzimmer der Eltern betreten. Eine alte Magd war mit Ordnung und 
Aufräumung desselben betraut. 
In den Zimmern hingen hie und da Bilder, und es standen in manchen 
Geräte, die aus alten Zeiten stammten und an denen wunderliche 
Gestalten ausgeschnitten waren, oder in welchen sich aus 
verschiedenen Hölzern eingelegte Laubwerke und Kreise und Linien 
befanden. 
Der Vater hatte auch einen Kasten, in welchem Münzen waren, von 
denen er uns zuweilen einige zeigte. Da befanden sich vorzüglich 
schöne Taler, auf welchen geharnischte Männer standen oder die 
Angesichter mit unendlich vielen Locken zeigten, dann waren einige 
aus sehr alten Zeiten mit wunderschönen Köpfen von Jünglingen oder 
Frauen, und eine mit einem Manne, der Flügel an den Füßen hatte. Er 
besaß auch Steine, in welche Dinge geschnitten waren. Er hielt diese 
Steine sehr hoch und sagte, sie stammen aus dem kunstgeübtesten 
Volke alter Zeiten, nehmlich aus dem alten Griechenlande her. 
Manchmal zeigte er sie Freunden; diese standen lange an dem Kästchen 
derselben, hielten den einen oder den andern in ihren Händen und 
sprachen darüber. 
Zuweilen kamen Menschen zu uns, aber nicht oft. Manches Mal 
wurden Kinder zu uns eingeladen, mit denen wir spielen durften, und
öfter gingen wir auch mit den Eltern zu Leuten, welche Kinder hatten, 
und uns Spiele veranstalteten. Den Unterricht erhielten wir in dem 
Hause von Lehrern, und dieser Unterricht und die sogenannten 
Arbeitsstunden, in denen von uns Kindern das verrichtet werden mußte, 
was uns als Geschäft aufgetragen war, bildeten den regelmäßigen 
Verlauf der Zeit, von welchem nicht abgewichen werden durfte. 
Die Mutter war eine freundliche Frau, die uns Kinder ungemein liebte, 
und die weit eher ein Abweichen von dem angegebenen Zeitenlaufe 
zugunsten einer Lust gestattet hätte, wenn sie nicht von der Furcht vor 
dem Vater davon abgehalten worden wäre. Sie ging in dem Hause 
emsig herum, besorgte alles, ordnete alles, ließ aus der obgenannten 
Furcht keine Ausnahme zu und war uns ein ebenso ehrwürdiges Bildnis 
des Guten wie der Vater, von welchem Bildnisse gar nichts abgeändert 
werden konnte. Zu Hause hatte sie gewöhnlich sehr einfache Kleider an. 
Nur zuweilen, wenn sie mit dem Vater irgend wohin gehen mußte, tat 
sie ihre stattlichen seidenen Kleider an und nahm ihren Schmuck, daß 
wir meinten, sie sei wie eine Fee, welche in unsern Bilderbüchern 
abgebildet war. Dabei fiel uns auf, daß sie immer ganz einfache, 
obwohl sehr glänzende Steine hatte, und daß ihr der Vater nie die 
geschnittenen umhing, von denen er doch sagte, daß sie so schöne 
Gestalten in sich hätten. 
Da wir Kinder noch sehr jung waren, brachte die Mutter den Sommer 
immer mit uns auf dem Lande zu. Der Vater konnte uns nicht 
Gesellschaft leisten, weil ihn seine Geschäfte in der Stadt festhielten; 
aber an jedem Sonntage und an jedem Festtage kam er, blieb den 
ganzen Tag bei uns und ließ sich von uns beherbergen. Im Laufe der 
Woche besuchten wir ihn einmal, bisweilen auch zweimal in der Stadt, 
in welchem Falle er uns dann bewirtete und beherbergte. 
Dies hörte endlich auf, anfänglich weil der Vater älter wurde und die 
Mutter, die er sehr verehrte, nicht mehr leicht entbehren konnte; später 
aber aus dem Grunde, weil es ihm gelungen war, in der Vorstadt ein 
Haus mit einem Garten zu erwerben, wo wir freie Luft genießen, uns 
bewegen und gleichsam das ganze Jahr hindurch auf dem Lande 
wohnen konnten. 
Die Erwerbung des Vorstadthauses war eine große Freude. Es wurde 
nun von dem alten, finstern Stadthause in das freundliche und 
geräumige der Vorstadt gezogen. Der Vater hatte es vorher im
allgemeinen zusammen richten lassen, und selbst, da wir schon darin 
wohnten, waren noch immer in verschiedenen Räumen desselben 
Handwerksleute beschäftigt. Das Haus war nur für unsere Familie 
bestimmt. Es wohnten nur noch unsere Handlungsdiener in demselben 
und gleichsam als Pförtner und Gärtner ein ältlicher Mann mit seiner 
Frau und seiner Tochter. 
In diesem Hause richtete sich der Vater ein viel    
    
		
	
	
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