Der Moloch | Page 9

Jakob Wasserman
Ihm war, als m��sse er diesem Menschen beichten, und er verga? die j��ngeren Jahre Arnolds. Leicht erzeugt ohnedies eine solche Stunde festere Br��cken zwischen M?nnern, als etwa ein Beisammensitzen im Sonnenschein. Freilich nicht bei Arnold, den keine innere Enge trieb, sich mitzuteilen. Aber da es f��r ihn nichts L?ngstbekanntes gab, kein allt?gliches Schicksal, lauschte er dem Lehrer mit Interesse.
Endlich erhob sich Specht und meinte, es sei doch Zeit, nach Hause zu gehn. W?hrend des Heimwanderns brachte er noch vielerlei vor, denn er hatte einen regen, lebendigen Geist, und mit Unrast suchte er Beziehungen und w��nschte Sympathien.

Achtes Kapitel
Am andern Morgen, als Arnold und Frau Ansorge beim Fr��hst��ck waren, kam Ursula und erz?hlte, die Felizianerinnen h?tten die Tochter des Juden Elasser zu sich ins Kloster gebracht.
?Vierzehn Stunden haben die Leute nicht gewu?t wo ihr Kind ist,? sagte sie. ?Erst heut Nacht haben sie es durch einen Zufall erfahren.?
?Und was ist dann geschehen?? fragte Arnold.
?Der Jud ist mit dem Gendarmerie-Wachtmeister Wittek ins Kloster gegangen. Man hat sie aber nicht hineingelassen.?
?Eine wunderbare Geschichte,? bemerkte Frau Ansorge sp?ttisch.
Arnold erinnerte sich seiner gestrigen Begegnung mit dem Hausierer und an dessen beklommenes Wesen. ?Man kann doch nicht ohne weiteres ein M?dchen rauben,? sagte er verwundert.
?Wahrscheinlich soll das Judenkind getauft werden,? antwortete Ursula.
Der B?cker aus Podolin, der gleich darauf kam, best?tigte das Vorgefallene.
?Ich versteh das nicht,? sagte Arnold in wachsender Verwunderung zu seiner Mutter. ?K?nnen die vom Kloster ein Kind einfach stehlen??
Frau Ansorge zuckte die Achseln.
?Man kann es doch nicht taufen, wenn die Eltern nicht wollen.?
?Vielleicht will das M?dchen selber. Wenn es vierzehn Jahre alt ist, braucht man die Einwilligung der Eltern nicht.?
?Wenn es aber nicht will? Dann m��ssen Sie es wieder entlassen, wie??
Frau Ansorge zuckte abermals die Achseln. ?Was gehen uns die fremden Leute an,? entgegnete sie gleichg��ltig.
Gegen Mittag machte sich Arnold auf den Weg nach dem Dorf. Auf dem Hauptplatz blieb er eine Weile unschl��ssig stehen. Dann, fast wider Willen trat er in den Ullmannschen Schnapsladen an der Ecke. Bauern, Knechte, Tagel?hner, Unterstandslose, ja sogar ein paar Weiber sa?en dort und machten L?rm. Arnold lie? sich ein Glas Tschai geben. Ein alter, dicker, gichtiger Bauer, der weithin nach Schnaps roch und dessen Mund verzogen war, als h?tte er Zitronensaft auf der Zunge, sagte, jetzt sei die Zeit gekommen, und endlich werde dem Juden der Garaus gemacht. Getauft oder verbrannt, schrie ein Bursche, dem die blo?e Brust durch das zerrissene Hemd schien. Der Ladenbesitzer, selber ein Jude, mit einem Bart, der d��nn und kranzartig um das ganze Gesicht lief, lachte mit weit aufgerissenem Mund. Eine pockennarbige B?uerin behauptete, der Papst und der Erzbischof h?tten den Felizianerinnen strenge befohlen, alle Judenkinder zu taufen.
Arnold fragte den geleckt und hungrig aussehenden Gesch?ftsgehilfen nach der Wohnung Elassers und verlie? dann den Laden.
Podolin, aus einer langgestreckten Reihe niedriger H?user bestehend, hatte nur eine einzige Seitengasse und dort, dicht am Flu?ufer, wohnte Elasser. Die absch��ssige Gasse war fast ungangbar durch Misthaufen, Kotpf��tzen, Schottergestein und umhergackerndes Gefl��gel. Von den Mauern des Elasserschen H?uschens war der gr??te Teil der M?rtelbekleidung abgefallen. Arnold ging durch die offene Haust��re in ein gleichfalls offenes Zimmer zur Rechten, wo sich ihm ein ebenso wunderbarer als trauriger Anblick bot.

Neuntes Kapitel
Samuel Elasser hockte zusammengekauert, die Knie fast bis zur Brust emporgezogen, im Winkel eines schmutzigen Kanapees. Er hatte mit beiden H?nden das Gesicht so vollst?ndig bedeckt, da? darunter nur der braune Bart hervorquoll. Auf dem Kopf trug er ein altes, hint��bergeschobenes Seidenk?ppchen mit einer Quaste. Um ihn herum standen wie in einem abgemessenen Halbkreis sechs Kinder und blickten regungslos auf die kauernde Gestalt ihres Vaters. Eines von zwei Jahren kroch halb spielend, halb winselnd ��ber die Dielen und ein Neugeborenes lag eingeh��llt in bunte Lappen, die wiederum durch einen gr��nen G��rtel zusammengehalten waren, auf einer breiten Bank neben dem Ofen. Die Frau stand vor dem Fenstersims und bewegte betend die Lippen und den Oberk?rper. Au?er dem Gelalle des kleinen Halbnackten war kaum ein deutlicher Laut vernehmbar. Auf dem Tisch standen acht blecherne Kaffeetassen, an einem Strick vom Ofen zur Wand hingen rote Windeln zum Trocknen und der T��re gegen��ber nahm ein uralter Schrank den f��nften Teil des Raumes ein.
Nachdem Arnold einige Minuten ruhig auf der Schwelle geblieben war, trat er ins Zimmer. Sogleich dr?ngten sich die sechs Kinder in einen Kn?uel zusammen. Elasser lie? die H?nde vom Gesicht fallen und blickte den Fremdling mit glasigen Blicken an. Arnold war etwas verdutzt ��ber die gepre?te Trauer und d��stere Niedergeschlagenheit, die hier herrschten. Er forschte unter den Gesichtern der Kinder und als er das ihm bekannte der kleinen Jutta nicht erblickte, fragte er: ?Ist sie noch nicht zur��ck aus dem Kloster??
Die Frau drehte sich um und heftete aus ihren hervorquellenden, erm��deten Augen einen ungewissen und furchtsamen Blick auf Arnold. ?Wei? der Herr nicht, da? unsere Jutta geschleppt worden ist mit Gewalt ins Nonnenkloster?? rief sie mit einer ��berscharfen Stimme. Ihre Z��ge, obwohl alt
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