Der Moloch | Page 2

Jakob Wasserman
Laufen und T?nzeln. Was auf R?dern lief und nur entfernt einer Maschine ?hnlich sah, erregte ihren Abscheu. Im Hause durften keine Wanduhren ticken, vor den Fenstern mu?ten B��sche gepflanzt werden, denn sonderbarerweise konnte sie weder den Anblick der Horizontlinie, noch den der langhinlaufenden Stra?e ertragen. Spiegel und Bilder liebte sie nicht; nichts was an der Wand oder an der Decke hing. Ihr Bett lag flach und knapp ��ber den Dielen.
In solchem Kreis des Ruhens wuchs Arnold empor. Auf dem Grunde eines schwarzen Unheils malte sich wie etwas Rosiges sein junges Leben. Die beharrende Furcht der Mutter war eine Schranke um ihn, aber eine unsichtbare. Nicht etwas Nennbares und Wechselndes, sondern ehern und unabl?ssig als Naturkraft wirkend, bildete sie die Quelle seiner Gewohnheiten; sein Herz blieb rein von Unfrieden, auch hatte er nichts von der Zuchtlosigkeit, die durch regellose und eifers��chtige Geselligkeit entsteht.
Er zeigte als Kind oft ein verstocktes, ja gr?mliches und m��rrisches Wesen. Mit zusammengezogenen Brauen und seltsam gespreizten Schrittchen stapfte er herum wie ein kleiner B?r. Dies reizte nat��rlich die Leute auf dem Hof zum Lachen; besonders Ursula ?ffte Arnolds Gebaren nicht ohne Bosheit nach. Das emp?rte den Knaben zu unb?ndigem Zorn; denn f��r die Neckereien der Erwachsenen besa? er damals und auch sp?ter nicht das geringste Verst?ndnis; sie erschienen ihm als ein durchaus unrechtm??iger Eingriff in seine pers?nliche Freiheit. Mit schiefem Blick und zwischen die Schultern eingezogenem Kopf stand er bei solchen Gelegenheiten da, und wenn der feindliche Spott kein Ende nehmen wollte, zog er die Lippen auseinander, jappte j?hzornig, machte zwei F?uste, die er gleich Puffern links und rechts an der Brust hielt, sprang auf den Plagegeist los und bi? und schlug. Doch solche Zornw��tigkeit zeigte sich mit den Jahren immer seltener, und statt ihrer stellte sich eine ver?chtliche Blick- und Wortsparsamkeit ein, die dem Bewu?tsein der K?rperkraft entsprang und gar possierlich wirkte.
Die Verlorenheit des Aufenthaltes entzog Arnold jedem Bildungszwang. Durch die weitgehenden Verbindungen Friedrich Borromeos bildete die Milit?rpflicht Jahre voraus keine Sorge mehr f��r Frau Ansorge. Sie selbst lehrte ihn lesen und schreiben. Um ihn auch weiterhin unterrichten zu k?nnen, studierte sie Tag und Nacht mit wahrer Wut und so wurde sie seine Lehrerin in Sprachen, Geschichte, Geographie und den niederen F?chern der Mathematik. Ihn im Dunkel der Unwissenheit zu lassen, darin sah sie keine Sicherheit. In seinem f��nfzehnten Jahr besa? er die Durchschnittsbildung der jungen Leute seines Alters. Er hatte keinen Ehrgeiz in geistigen Dingen und fand Vergn��gen an k?rperlicher Arbeit. Die Mutter w��nschte ihn mittelm??ig und so am meisten gesch��tzt gegen die St��rme des Schicksals. Der Anschein befriedigte sie.
In der dr?ngendsten Zeit der aufwachenden Mannbarkeit verriet sich an ihm eine unruhige ��berschw?nglichkeit und Phantasterei, die seiner Natur im Innersten fremd war. Da kam es vor, da? er w?hrend einer ganzen Sommernacht sich in den W?ldern herumtrieb, nach den Sternen starrte, in die Erde hinein horchte und mit eigent��mlicher Angst den Aufgang der Sonne erwartete. Ein andermal entfernte er sich in der Fr��h und kam erst am zweiten Tag zur��ck. Vierzehn Stunden war er gegangen, um zu erfahren, was hinter dem Wald, hinter den H��geln der Ferne lag, und traurig hatte er den Heimweg angetreten, als immer wieder dieselben ?cker und Wiesen, dieselben unansehnlichen H?uschen an derselben Stra?e erschienen waren.
Bald verging das aufgeregte Wesen wieder und kehrte sich fast in sein Gegenteil, so da? Arnold den Eindruck eines m��rrischen und phlegmatischen Burschen machte. Ohne sichtbare Freude der Wahrnehmung, ja sogar ohne Frohsinn, lie? er Sommer und Winter und wieder Sommer und Winter vorbeiziehen, denn dieser Wechsel und nicht die Ereignisse der Welt war f��r ihn das bedeutendste Schauspiel auf dem Zifferblatt der Zeit, das er mit trockener Selbstgen��gsamkeit verfolgte. Er war tr?g und schwieg gern aus Tr?gheit, auch gegen die Mutter. Es bestand zwischen ihnen kein gef��hlvolles Streben nach Ann?herung, auch keine geheimnisvolle Abgeschlossenheit. Jeder schien in einem eigenen Land, nach eigenen Gesetzen zu leben. Die Einfachheit der Tage und der Besch?ftigungen bestimmte den Charakter ihres Verh?ltnisses. Arnold war nie trotzig oder aufgeblasen gegen die Mutter, aber sie war f��r ihn mehr eine ?ltere Genossin als eine Achtungsperson. Sp?ter zeigte er in den kurzen Gespr?chen mit ihr gern eine sp?ttische Aufmerksamkeit, die ihm nicht ��bel zu Gesichte stand und die Frau Ansorge vielleicht nur darum ein wenig ?ngstigte, weil sie etwas an sich hatte, was wie ein Zeichen geistiger ��berlegenheit aussah. Aber die Sache war einfach die, da? Arnold nicht mehr ausschlie?lich die Mutter, sondern auch die Frau in ihr erblickte, die er, in komischem M?nnlichkeitswahn, sich untergeordnet glaubte.
Die Beziehung zwischen den Geschlechtern war nie ein schw��les Mysterium f��r ihn gewesen. Seine fr��h erwachte Sinnlichkeit, abgelenkt durch k?rperliche Arbeit, hatte keinen Anla? zu dunklen Tr?umereien gefunden. Als er mit sieben Jahren zum erstenmal das Belegen einer Stute mit ansah, da begriff er das gewaltige Weben, welches scheinbar aus dem Nichts eine neue Kreatur erschafft. Obwohl
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