Jäger werden! Willst du, Heinrich?« 
»Wenn es der Vater erlaubt«, war des Kindes verlegene Antwort. »Das 
war gut gesprochen, Junge«, sagte der Jäger, »und siehe, zum Lohn 
gebe ich dir diesen Schauthaler, daß du mein dabei gedenkest. So, und 
nun fort, und gib du mir das Geleite, Bruder! Meine Herrschaft wartet 
meiner, bis zum Abend sind wir über alle Berge.« 
Da half kein Widerreden, und nach einigen Minuten schon wanderten 
die Brüder dem Berg hinab auf Grünberg zu. Wie sie allein waren, da 
ward erst von der fremden Herrschaft gesprochen und von dem Kinde, 
und von den Briefen, die bald ankommen sollten. Dann hielt der Jäger 
plötzlich im Gehen ein, und des Schulmeisters Hand ergreifend sprach 
er: »Warum, Konrad, bist du noch immer auf dem Veitsberg, und 
warum immer noch nichts anders als Schulmeister?« »Das frage den«, 
sprach der Schulmeister ernst, »der Etliche zu Aposteln gesetzt hat,
Etliche zu Propheten, Etliche zu Evangelisten, Etliche zu Hirten und 
Lehrern. Er wird mich wohl zu nichts Besserem brauchen können, denn 
daß ich über eine kleine Heerde ein Hirte sei.« »Nun, das muß ich 
sagen«, rief der Jäger heftig, »denkst du selber so von dir und deiner 
Fähigkeit, dann geschieht dir Recht, wenn Andere auch so denken, und 
den Justus sein Thränenbrod auf dem Veitsberg essen lassen bis an sein 
selig Ende. O wer nichts aus sich macht, aus dem macht auch die Welt 
nichts. Wer unter den Wölfen ist, der muß mit ihnen heulen, und lernst 
du dich nicht schicken und drücken und bücken, so bleibst du, was du 
bist, sonst nichts! Mann, wozu hast du denn dein Latein gelernt und das 
Alles, was du zusammengescharrt, wie ein Hamster, und zu was hat 
denn der Superintendent damals gesagt, als er dich prüfte: »»Justus, ihr 
seid ein grundgelehrter Mann!«« wozu frag' ich?« 
»Hebe dich weg von mir, Satan«, sprach traurig lächelnd der 
Schulmeister, »du vergissest, daß ich Justus heiße. Wenn ich zum 
Schmeichler und zum Broddieb hätte werden wollen, dann wär' ich's 
während meiner Wartezeit geworden, die an 16 Jahre gedauert hat. 
Jetzt, wo ich durch des Herrn Gnade Amt und Brod habe, und wo mein 
Haupt weiß wird, sollen da meine grauen Haare mir nicht eine Krone 
der Ehren sein, die auf dem Wege der Gerechtigkeit erfunden werden? 
Und dann vergissest du, Bruder, daß die Ruthe noch nicht zerknickt ist, 
die meinen Rücken bis dahin geschlagen hat. Der Gerst lebt noch, und 
so lange er lebt, haßt er mich und schlägt mich und Gott hat ihm viel 
Gewalt gegeben, damit ich immer recht demüthig bleibe und mich nie 
überhebe. Er ist mein Satansengel, der mich mit Fäusten schlägt. Wie 
Paulus habe ich den Herrn angefleht, oft und viel, und er hat auch zu 
mir gesprochen: »Laß dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft 
ist in den Schwachen mächtig.« Und ich fühle ja täglich seine Kraft. 
Seit ich hier bin auf meinem Veitsberg und Weib und Kinder habe und 
mein täglich Brod, und mein Amt mir gelingt über Bitten und 
Verstehen, da bin ich recht glücklich und bitte Gott um kein anderes 
Loos. O wenn ich manchmal auf dem Kirchhof stehe, und die Sterne 
betrachte, wie sie auf- und untergehen, dann ist es mir, als hätte jeder 
Stern, der kommt, seinen Gruß vom lieben Gott an mich, und jeder, der 
untergeht, einen Trost vom Heiland: »Noch ein Kleines und ich will 
dich wiedersehen und dein Herz soll sich freuen, und die Freude soll
Niemand von dir nehmen.« 
»Bruder«, sagte der Jäger, indem er eine Thräne im Auge zerdrückte, 
»du bist ein glücklicher Mensch, viel glücklicher, denn ich. Mein Herz 
ist wie ein Schifflein auf offener See, und das darum, weil ich weder 
fest glauben, noch recht lieben kann. Nein, an meinen Todfeind kann 
ich nicht denken, wie du an ihn denkst. Der Gerst hat dir Alles geraubt, 
was den Menschen das Leben lieb macht, deine ganze Jugend und 
deine ganze Ehre vor der Welt, und mußt noch froh sein, daß er dich 
das Brod eines armen Schulmeisters in Ruhe essen läßt. Das könnt' ich 
nicht ertragen! Und wehe dem Menschen, wenn ich je in dieser Gegend 
längere Zeit bleiben sollte; ich würde ihm Alles eintränken, was er je 
Böses an dir gethan hat!« »Und was hättest du damit für mich gethan, 
Heinrich?« fragte ernst der Schulmeister. »Nichts, sage ich, gar nichts! 
Die Jugend ist vorüber, wer denkt an mich, und wer will mich? Laß mir 
mein Loos; es ist Freude mit Zittern, und meinen Glauben laß mir auch, 
der mich lehret: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der 
Herr.« -- 
So schieden die Brüder; und in derselben Stunde, wo der Schulmeister 
vom Veitsberg sein Haus betrat, da fuhr die fremde Herrschaft aus der 
Stadt Grünberg hinaus. 
 
5. Des Kalendermanns Jugend. 
Es ist dir gewiß, mein lieber Leser, im bisherigen Gang unserer    
    
		
	
	
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