Der Hofmeister | Page 2

Jacob Michael Reinhold Lenz
gut, aber nach funfzig Jahren haben wir vielleicht einen andern K?nig und eine andre Art ihm zu dienen. Aber ich seh schon, ich kann mich mit Dir in die Sachen nicht einlassen, ich müste zu weit ausholen und würde doch nichts ausrichten. Du siehst immer nur der graden Linie nach, die Deine Frau Dir mit Kreide über den Schnabel zieht.
Major. Was willst Du damit sagen, Berg? Ich bitt Dich, misch Dich nicht in meine Hausangelegenheiten, so wie ich mich nicht in die Deinigen.--Aber sieh doch! da l?uft ja eben Dein gn?diger Junker mit zwey Hollunken aus der Schule heraus.--Vortrefliche Erziehung, Herr Philosophus! Das wird einmal was rechts geben! Wer sollt' es in aller Welt glauben, da? der Gassenbengel der einzige Sohn Sr. Excellenz des k?niglichen geheimen Raths--
Geh. Rath. La? ihn nur.--Seine lustigen Spielgesellen werden ihn minder verderben als ein galonirter Mü?igg?nger, unterstützt von einer eiteln Patronin.
Major. Du nimmst Dir Freyheiten heraus.--Adieu.
Geh. Rath. Ich bedaure Dich.
Dritte Scene.
Der Majorin Zimmer. Frau Majorin. (auf einem Kanapee) L?uffer. (in sehr demüthiger Stellung neben ihr sitzend) Leopold. (steht)
Majorin. Ich habe mit Ihrem Herrn Vater gesprochen und von den dreihundert Dukaten stehenden Gehalts sind wir bis auf hundert und funfzig einig worden. Dafür verlang' ich aber auch Herr--Wie heissen Sie?--Herr L?uffer, da? Sie Sich in Kleidern sauber halten, und unserm Hause keine Schande machen. Ich wei?, da? Sie Geschmack haben; ich habe schon von Ihnen geh?rt, als Sie noch in Leipzig waren. Sie wissen, da? man heut zu Tage auf nichts in der Welt so sehr sieht, als ob ein Mensch sich zu führen wisse.
L?uffer. Ich hoff', Euer Gnaden werden mit mir zufrieden seyn. Wenigstens hab' ich in Leipzig keinen Ball ausgelassen, und wohl über die funfzehn Tanzmeister in meinem Leben gehabt.
Majorin. So? lassen Sie doch sehen. (L?uffer steht auf) Nicht furchtsam, Herr...L?uffer! nicht furchtsam! Mein Sohn ist buschscheu genug; wenn der einen bl?den Hofmeister bekommt, so ists aus mit ihm. Versuchen Sie doch einmal, mir ein Kompliment aus der Menuet zu machen; zur Probe nur, damit ich doch sehe.--Nun, nun, das geht schon an! Mein Sohn braucht vor der Hand keinen Tanzmeister! Auch einen Pas, wenn's Ihnen beliebt.--Es wird schon gehen; das wird sich alles geben, wenn Sie einmal einer unsrer Assembleen werden beigewohnt haben. Sind Sie musikalisch?
L?uffer. Ich spiele die Geige, und das Klavier zur Noth.
Majorin. Desto besser: wenn wir aufs Land gehn und Fr?ulein Milchzahn besuchen uns einmal; ich habe bisher ihnen immer was vorsingen müssen, wenn die guten Kinder Lust bekamen zu tanzen: aber besser ist besser.
L?uffer. Euer Gnaden setzen mich ausser mich: wo w?r ein Virtuos auf der Welt, der auf seinem Instrument Euer Gnaden Stimme zu erreichen hoffen dürfte.
Majorin. Ha ha ha! Sie haben mich ja noch nicht geh?rt. ... Warten Sie; ist Ihnen die Menuet bekannt? (singt)
L?uffer. O... o... verzeihen Sie dem Entzücken, dem Enthusiasmus, der mich hinrei?t. (kü?t ihr die Hand.)
Majorin. Und ich bin doch enrhumirt dazu; ich mu? heut kr?hen wie ein Rabe. Vous parlez fran?ois, sans doute?
L?uffer. Un peu, Madame
Majorin. Avez Vous deja fait V?tre tour de France?
L?uffer. Non Madame. ... Oui Madame.
Majorin. Vous devez donc savoir, qu'en France, on ne baise pas les mains, mon cher. ...
Bedienter. (tritt herein) Der Graf Wermuth ...
Graf Wermuth. (tritt herein)
Graf. (nach einigen stummen Komplimenten setzt sich zur Majorin aufs Kanapee. L?uffer bleibt verlegen stehen) Haben Euer Gnaden den neuen Tanzmeister schon gesehn, der aus Dresden angekommen? Er ist ein Marchese aus Florenz, und hei?t ... Aufrichtig: ich habe nur zwey auf meinen Reisen angetroffen, die ihm vorzuziehen waren.
Majorin. Das gesteh' ich, nur zwey! In der That, Sie machen mich neugierig; ich wei?, welchen verz?rtelten Geschmack der Graf Wermuth hat.
L?uffer. Pintinello ... nicht wahr? ich hab' ihn in Leipzig auf dem Theater tanzen sehen; er tanzt nicht sonderlich ...
Graf. Er tanzt--on ne peut pas mieux.--Wie ich Ihnen sage, gn?dige Frau, in Petersburg hab' ich einen Beluzzi gesehn, der ihm vorzuziehen war: aber dieser hat eine Leichtigkeit in seinen Füssen, so etwas freyes, g?ttlichnachl??iges in seiner Stellung, in seinen Armen, in seinen Wendungen--
L?uffer. Auf dem Kochischen Theater ward er ausgepfiffen, als er sich das letztemal sehen lie?.
Majorin. Merk Er sich, mein Freund! da? Domestiken in Gesellschaften von Standespersonen nicht mitreden. Geh Er auf Sein Zimmer. Wer hat Ihn gefragt? (L?uffer tritt einige Schritte zurück)
Graf. Vermuthlich der Hofmeister, den Sie dem jungen Herrn bestimmt? ...
Majorin. Er kommt ganz frisch von der hohen Schule.--Geh' Er nur! Er h?rt ja, da? man von Ihm spricht; desto weniger schickt es sich, stehen zu bleiben. (L?uffer geht mit einem steifen Kompliment ab) Es ist was unertr?gliches, da? man für sein Geld keinen rechtschaffenen Menschen mehr antreffen kann. Mein Mann hat wohl dreymahl an einen dasigen Professor geschrieben und dies soll doch noch der galanteste Mensch auf der ganzen Akademie gewesen seyn. Sie sehens auch wohl an seinem links bordirten Kleide. Stellen Sie sich vor, von Leipzig
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