wußte, Sie vor 
seinem Tod noch einmal zu sehen, Ihnen zu sagen, daß er für Sie stirbt. 
Die Sonne zürnt nicht, wenn ein dreister Vogel ihr entgegen fliegt und, 
von ihrem Glanz betäubt, sodann tot herab ins Meer fällt. 
ARMIDA. Wer spricht dort mit mir? 
ROBERT. Erlauben Sie mir, daß ich herauf komme, Ihnen meinen 
Namen zu nennen, meine Geschichte zu erzählen. Das tote Schweigen 
der Natur, und die feierliche Stille dieser meiner Sterbestunde flößt mir 
Mut ein. Ich gehe zum Himmel, wenn es einen gibt, und einem 
Sterbenden muß alles erlaubt sein.--(will aufstehen.) 
ARMIDA. Verwegner! Wer seid ihr? 
ROBERT. Ich bin ein Engländer, Prinzessin; bin der Stolz und die 
Hoffnung meines Vaters, der Lord Hot, Pair von England. Auf der 
letzten Maskerade bei Hof hab ich Sie gesehen, hab ich mit Ihnen 
getanzt; Sie haben es vergessen, ich aber nicht. Ich kann und darf nicht 
hoffen, Sie jemals zu besitzen, doch kann ich nicht leben ohne diese 
Hoffnung. Morgen kommt mein Vater an und will mich nach England 
zurückführen, und mit Lord Hamiltons Tochter verheiraten. Urteilen 
Sie nun, wie unglücklich ich bin. Er darfs nicht wissen, daß ich Soldat 
bin, sonst kauft er mich los; und wo denn Schutz finden; was denn 
anfangen, wenn mich dieser heilige Stand vor ihm und Lord Hamilton 
nicht mehr sicher stellen kann?--Bedauern Sie mich, Prinzessin; ich 
sehe, ich sehe das Mitleid aus ihren schwarzen Augen zittern; ich kann 
diesen süßen Seufzer mit meinen Lippen auffangen, der ihren Busen 
mir so göttlich weiß entgegen hebt.--O in diesem Augenblick zu 
sterben ist alle Glückseligkeit des Lebens wert. 
ARMIDA. Mein Herr! ich sehe wohl, daß Sie was anders sind, als Sie 
zu sein scheinen--daß Sie Bedauern verdienen--Sie sind damit 
zufrieden, wenn ich Sie bedauere? Ist Ihnen diese Versicherung nicht 
genug, so bedenken Sie doch, daß mehr verlangen, mein Unglück
verlangen hieße. 
ROBERT. Ach, schöne Prinzessin! Nichts als bedauern? Und wenn 
auch das Sie nicht glücklich macht, so will ich den Urheber Ihres 
Unglücks strafen. (springt auf, nimmt sein Gewehr wieder, und geht 
herum. Die Runde kommt.) 
ROBERT. Wer da? 
RUNDE. Runde! 
ROBERT. Steh, Runde! (heimlich mit dem Major.) 
MAJOR. (laut.) Was ist vorgegangen, daß ihr geschossen habt? 
ROBERT. Ich habe einen Deserteur ertappt. 
MAJOR. Es hat doch niemand beim Appell gefehlt. Wer war's? 
ROBERT. Ich. 
MAJOR. Kerl, habt ihr den Verstand verloren? Löst ihn ab, führt ihn in 
die Hauptwache. 
 
Zweiter Akt 
Erste Szene 
(Der Prinzessin Palast. Major Borgia. Prinzessin von Carignan.) 
MAJOR. Eure Hoheit verzeihen, daß ich mich untertänigst beurlaube. 
Es wird Kriegsrat über einen Deserteur gehalten, bei dem ich 
unumgänglich gegenwärtig sein muß. 
ARMIDA. Eben deswegen, Herr Major, habe ich Sie rufen lassen. Er 
ist unter meinem Fenster in Verhaft genommen worden, ich war wach, 
als der Schuß geschah. Der Mensch muß eine verborgene Melancholie 
haben, die ihn zu dergleichen gewaltsamen Entschließungen bringt. 
MAJOR. Man will sagen, daß er nicht von geringerem Herkommen 
sein soll. Einige haben mir sogar behaupten wollen, er sei ein Lord, und 
von einem der ersten Häuser in England. 
PRINZESSIN. Desto behutsamer müssen Sie gehen. Erkundigen Sie 
sich sorgfältig nach seiner Familie bei ihm. 
MAJOR. Es ist schon geschehen. Er will aber nichts sagen, und die 
Strenge der königlichen Verordnungen-- 
PRINZESSIN. Ich gelte auch etwas bei dem König, und mein Bruder; 
und ich will, daß Sie ihm das Leben nicht absprechen, Herr Major, 
wenn Ihnen Ihr zeitlich Glück lieb ist. 
MAJOR. Nach dem Kriegsreglement hat er das Leben verwirkt-- 
PRINZESSIN. Ich gehe, mich dem Könige deswegen zu Füßen zu
werfen, unterdessen erkundigen Sie sich aufs sorgfältigste nach seinen 
Eltern, und sehen Sie, daß Sie ihnen, so geschwind es sein kann, 
Nachricht von diesem Vorfall geben. Ich bitte mirs von Ihnen zu 
Gnaden aus, Herr Major! 
MAJOR. Eurer Hoheit Befehle sind mir in allen andern Stücken 
heilig--(sie gibt ihm noch einen Blick, und geht ab. Der Major 
gleichfalls von der andern Seite.) 
 
Zweite Szene 
(Roberts Gefängnis. In der Dämmerung.) 
ROBERT. (spielt die Violine und singt dazu.) 
So geht's denn aus dem Weltgen 'raus, O Wollust, zu vergehen! Ich 
sterbe sonder Furcht und Graus, Ich habe sie gesehen. Brust und 
Gedanke voll von ihr: So komm, o Tod! ich geige dir; So komm, o Tod! 
und tanze mir. 
Nur um ein paar Ellen hÄtt' ich ihr näher sein sollen, ihre Mienen auf 
mich herabscheinen zu sehen--ihren Atem zu trinken--Man muß 
genÜgsam sein--Das Leben ist mir gut genug geworden, es ist Zeit, daß 
ich gehe, eh es schlimmer wird. (spielt wieder.) 
O Wollust--o Wollust, zu vergehen! Ich habe--habe sie gesehen. 
(Die Prinzessin von Carignan tritt ins GefÄngnis, verkleidet als ein 
junger Offizier. Ihr Bruder als Gemeiner.) 
ROBERT. Himmlisches Licht, das mich umgibt! (läßt die Geige fallen, 
kniet.) 
PRINZESSIN. Stehen Sie auf, mein Herr! ich bring Ihnen Ihr 
Urteil--Ihre Begnadigung vielmehr. Ich war die Ursache der 
unglÜcklichen Verirrung Ihrer Einbildungskraft, ich mußte dafür 
sorgen,    
    
		
	
	
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