Das blaue Fenster | Page 3

Hugo Salus
zitternd stand, und dann stie? der starre Mund einen furchtbaren Schrei aus. Da hatte die Amme aber auch schon das Kind erblickt und hatte es schnell aus der T��r gedr?ngt und mit einem der Diener in sein Zimmer geschickt.
Es zitterte und war ganz bleich geworden, es hatte den Mund offen wie jene Frau dr��ben, nur da? es nicht schreien konnte, und endlich in den Armen seiner Pflegemutter l?ste sich das Entsetzen des Kindes, ein hei?er Tr?nenquell s?nftigte sein verwirrtes Gem��t. Und so lag Berta die ganze Nacht in den Armen ihrer Pflegerin, die mild auf sie einsprach und die ihr Gesicht eng an des Kindes bleiche Wangen dr��ckte, als wolle sie alle b?sen Geister davon abhalten.
Nach diesem Abend, der das M?dchen um viele Jahre ?lter machte, wurde die kranke Gr?fin mit der Amme in den runden einsamen Turm oben im Walde gebracht, zu dem ein schattiger Waldpfad wohl eine Stunde lang vom Schlosse emporklomm; so da? in den folgenden N?chten denen im Schlosse unten ein neues Sternlein aufleuchtete, die Ampel im friedlosen Schlafgemach der Gr?fin.
Das Kind aber verblieb noch einige Monate im Schlosse. Es war sehr nachdenklich und schreckhaft geworden, aus dem Schlafe schrie es oft und verzerrte das Gesicht wie in einer gro?en Angst und st?hnte aus seinen Tr?umen. Da wu?te sich der Graf, dem das scheue Wesen seines Kindes unheimlich war, nach langer Beratung mit seiner Base und dem Pfarrer keinen andern Rat, als sie aus dem Hause zu geben. Und Berta kam zu den Feldegg, armen Rittersleuten, die dem Grafen eine Meierei verwalteten und die stundenweit vom Schlosse in einem Tale hausten; hier verblieb Berta durch viele Monate.
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Die ersten Wochen weilte die Base bei dem M?dchen. Dann aber fuhr sie von dannen, da sie sah, wie wohl die neue Umgebung und die G��te der Meiersleute auf das Gem��t des Kindes wirkten. Die waren brave Menschen, denen von ihren Kindern nur ein Knabe geblieben war, Leon, der etwa vierzehn Jahre z?hlen mochte, und sie freuten sich ��ber die Auszeichnung, nunmehr die Tochter ihres Herrn pflegen zu d��rfen; was ihnen in ihrer bedr?ngten Lage gewi? zum Vorteile gereichen mu?te. Sie waren einst selbst wohlbeg��tert gewesen, aber durch Wettersch?den, allerlei Krankheiten und Ungl��ck heruntergekommen, so da? sie gern ein Lehen des Grafen empfingen.
Nun nahm sich also Frau Anna, Leons Mutter, des armen Grafenkindes mit all der ��bersch��ssigen Liebe an, die ihren verstorbenen Kindern zugedacht war; und sie verh?tschelte und verz?rtelte das Kind, das anfangs solche Liebe gar nicht verstand; denn die brave Rittersfrau wu?te wohl um das traurige Geschick des mutterlosen Kindes und empfand es in ihrem frommen Gem��te als eine himmlische Gnade, da? sie es nun pflegen und ihm die Mutter ersetzen d��rfe. Und ihrem Leon hatte sie in einer jener f��rs ganze Leben unverge?lichen Stunden, da Herz zu Herzen spricht, erkl?rt, wie ungl��cklich Berta trotz ihres Ranges und Reichtums sei, da sie ohne Mutter lebe, und der gute, geweckte Knabe hatte als Antwort und Beweis, da? er sie verstanden habe, die Mutter weinend und wortlos umarmt und immer wieder an sich gedr��ckt und ihr dann geschworen, er wolle die junge Gr?fin wie ein Ritter sch��tzen.
Und der Knabe hielt sein Versprechen. Er war schlank und wohlgebildet und hatte jene pagenhafte Art, die Knaben von seiner Art die gr?beren Altersgenossen fliehen und die Einsamkeit mit ihrem Rauschen und Raunen lieben l??t; so da? mit vierzehn Jahren viel mehr Dichter in den Landen herumtr?umen, als das Leben sp?ter zul??t. Er betrachtete das Grafenkind mit bewundernder Scheu, weil sie viel Leids erlebt hatte und weil sie des Grafen Kind war. Und er freute sich, da? sie in seinen M?rchen so gut die traurige Prinzessin oder verlassene K?nigin vorstellen konnte, die auf ihren Ritter wartet.
Berta gab ihm denn auch gern ihre Hand, wenn sie in den Wald gingen, gesittet wie bei Hofe, und lauschte seinen Worten, denn er wu?te gar manches, was sie noch nicht gelernt hatte. Und im dichten Waldesschatten sitzend, erz?hlten sie einander von ihrem Leben.
?Ich will einmal was Gro?es werden,? sagte er, ?der Vater m?chte mich zu einem Soldaten machen, aber ich will lieber ein Gelehrter werden oder ein ber��hmter Arzt oder ein Papst, der in Rom wohnt. Und die Mutter, meine liebe Mutter? ..... da unterbrach er sich aber, denn er hatte einen fl��chtigen Blick auf Berta getan und nun schwieg er betroffen still. Die zwei gro?en, blauen Augen neben den seinigen taten ihm leid, sie waren so traurig, und pl?tzlich schlang er den Arm um die Schultern seiner Gespielin: ?Du mu?t immer bei uns bleiben, bei uns ist es sch?n und, wenn ich ins Kloster komme, um zu lernen, mu?t du an meiner Statt bei der -- bei dem Vater und der Mutter bleiben. Im Sommer kehre ich dann immer wieder zu euch heim und dann wollen wir mitsammen in den Wald gehen und
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