Das Leiden eines Knaben 
[German, with accents] 
 
Project Gutenberg's Das Leiden eines Knaben, by Conrad Ferdinand 
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Title: Das Leiden eines Knaben 
Author: Conrad Ferdinand Meyer 
Release Date: December, 2005 [EBook #9496] [Yes, we are more than 
one year ahead of schedule] [This file was first posted on October 5, 
2003] 
Edition: 10
Language: German 
Character set encoding: ISO-8859-1 
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS 
LEIDEN EINES KNABEN *** 
 
Produced by Delphine Lettau 
 
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Das Leiden eines Knaben 
Conrad Ferdinand Meyer 
 
Der König hatte das Zimmer der Frau von Maintenon betreten und, 
luftbedürftig und für die Witterung unempfindlich wie er war, ohne 
weiteres in seiner souveränen Art ein Fenster geöffnet, durch welches 
die feuchte Herbstluft so fühlbar eindrang, dass die zarte Frau sich 
fröstelnd in ihre drei oder vier Röcke schmiegte. 
Seit einiger Zeit hatte Ludwig der Vierzehnte seine täglichen Besuche 
bei dem Weibe seines Alters zu verlängern begonnen, und er erschien 
oft schon zu früher Abendstunde, um zu bleiben, bis seine Spättafel 
gedeckt war. Wenn er dann nicht mit seinen Ministern arbeitete, neben 
seiner diskreten Freundin, die sich aufmerksam und schweigend in 
ihren Fauteuil begrub; wenn das Wetter Jagd oder Spaziergang verbot; 
wenn die Konzerte, meist oder immer geistliche Musik, sich zu oft 
wiederholt hatten, dann war guter Rat teuer, welchergestalt der 
Monarch vier Glockenstunden lang unterhalten oder zerstreut werden 
konnte. Die dreiste Muse Molières, die Zärtlichkeiten und Ohnmachten 
der Lavallière, die kühne Haltung und die originellen Witzworte der
Montespan und so manches andere hatte seine Zeit gehabt und war nun 
gründlich vorüber, welk wie eine verblasste Tapete. Massvoll und fast 
genügsam wie er geworden, arbeitsam wie er immer gewesen, war der 
König auch bei einer die Schranke und das Halbdunkel liebenden Frau 
angelangt. 
Dienstfertig, einschmeichelnd, unentbehrlich, dabei voller Grazie trotz 
ihrer Jahre, hatte die Enkelin des Agrippa d'Aubigné einen lehrhaften 
Gouvernantenzug, eine Neigung, die Gewissen mit Autorität zu beraten, 
der sie in ihrem Saint-Cyr unter den Edelfräulein, die sie dort erzog, 
behaglich den Lauf liess, die aber vor dem Gebieter zu einem 
bescheidenen Sichanschmiegen an seine höhere Weisheit wurde. 
Dergestalt hatte, wann Ludwig schwieg, auch sie ausgeredet, besonders 
wenn etwa, wie heute, die junge Enkelfrau des Königs, die Savoyardin, 
das ergötzlichste Geschöpf von der Welt, das überallhin Leben und 
Gelächter brachte, mit ihren Kindereien und ihren trippelnden 
Schmeichelworten aus irgendeinem Grunde wegblieb. 
Frau von Maintenon, welche unter diesen Umständen die Schritte des 
Königs nicht ohne eine leichte Sorge vernommen hatte, beruhigte sich 
jetzt, da sie dem beschäftigten und unmerklich belustigten Ausdrucke 
der ihr gründlich bekannten königlichen Züge entnahm: Ludwig selbst 
habe etwas zu erzählen, und zwar etwas Ergötzliches. 
Dieser hatte das Fenster geschlossen und sich in einen Lehnstuhl 
niedergelassen. "Madame", sagte er, "heute mittag hat mir Père 
Lachaise seinen Nachfolger, den Père Tellier, gebracht." 
Père de Lachaise war der langjährige Beichtiger des Königs, welchen 
dieser, trotz der Taubheit und völligen Gebrechlichkeit des greisen 
Jesuiten, nicht fahrenlassen wollte und sozusagen bis zur 
Fadenscheinigkeit aufbrauchte; denn er hatte sich an ihn gewöhnt, und 
da er--es ist unglaublich zu sagen--aus unbestimmten, aber doch 
vorhandenen Befürchtungen seinen Beichtiger in keinem andern Orden 
glaubte wählen zu dürfen, zog er diese Ruine eines immerhin 
ehrenwerten Mannes einem jüngern und strebsamen Mitgliede der 
Gesellschaft Jesu vor. Aber alles hat seine Grenzen. Père Lachaise 
wankte sichtlich dem Grabe zu, und Ludwig wollte denn doch nicht an 
seinem geistlichen Vater zum Mörder werden. 
"Madame", fuhr der König fort, "mein neuer Beichtiger hat keine 
Schönheit und Gestalt: eine Art Wolfsgesicht, und dann schielt er. Er
ist eine geradezu abstossende Erscheinung, aber er wird mir als ein 
gegen sich und andere strenger Mann empfohlen, welchem sich ein 
Gewissen übergeben lässt. Das ist doch wohl die Hauptsache." 
"Je schlechter die Rinne, desto köstlicher das darin fliessende    
    
		
	
	
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