gestellt, wenn sie aus der 
Mette kam, und gefragt: Lieb Mädel, wo wohnst du? hat er sich, bei 
nächtlicher Weile, an ihr Fenster geschlichen, und, indem er ihr einen 
Halsschmuck umgehängt, gesagt: Lieb Mädel, wo ruhst du? Ihr 
hochheiligen Herren, damit war sie nicht zu gewinnen! Den Judaskuß 
erriet unser Heiland nicht rascher, als sie solche Künste. Nicht mit 
Augen, seit sie geboren ward, hat sie ihn gesehen; ihren Rücken, und 
das Mal darauf, das sie von ihrer seligen Mutter erbte, kannte sie besser, 
als ihn. (Er weint.) 
Graf Otto (nach einer Pause). Und gleichwohl, wenn er sie verführt hat, 
du wunderlicher Alter, so muß es wann und irgendwo geschehen sein? 
Theobald. Heiligen Abend vor Pfingsten, da er auf fünf Minuten in 
meine Werkstatt kam, um sich, wie er sagte, eine Eisenschiene, die ihm 
zwischen Schulter und Brust losgegangen war, wieder zusammenheften
zu lassen, 
Wenzel. Was! 
Hans. Am hellen Mittag? 
Wenzel. Da er auf fünf Minuten in deine Werkstatt kam, um sich eine 
Brustschiene anheften zu lassen? 
(Pause.) 
Graf Otto. Fasse dich, Alter, und erzähle den Hergang. 
Theobald (indem er sich die Augen trocknet). Es mochte ohngefähr eilf 
Uhr morgens sein, als er, mit einem Troß Reisiger, vor mein Haus 
sprengte, rasselnd, der Erzgepanzerte, vom Pferd stieg, und in meine 
Werkstatt trat: das Haupt tief herab neigt' er, um mit den Reiherbüschen, 
die ihm vom Helm niederwankten, durch die Tür zu kommen. Meister, 
schau her, spricht er: dem Pfalzgrafen, der eure Wälle niederreißen will, 
zieh ich entgegen; die Lust, ihn zu treffen, sprengt mir die Schienen; 
nimm Eisen und Draht, ohne daß ich mich zu entkleiden brauche, und 
heft sie mir wieder zusammen. Herr! sag ich: wenn Euch die Brust so 
die Rüstung zerschmeißt, so läßt der Pfalzgraf unsere Wälle ganz; nötig 
ihn auf einen Sessel, in des Zimmers Mitte nieder, und: Wein! ruf ich 
in die Türe, und vom frischgeräucherten Schinken, zum Imbiß! und 
setz einen Schemel, mit Werkzeugen versehn, vor ihn, um ihm die 
Schiene wieder herzustellen. Und während draußen noch der 
Streithengst wiehert, und, mit den Pferden der Knechte, den Grund 
zerstampft, daß der Staub, als wär ein Cherub vom Himmel 
niedergefahren, emporquoll: öffnet langsam, ein großes, flaches 
Silbergeschirr auf dem Kopf tragend, auf welchem Flaschen, Gläser 
und der Imbiß gestellt waren, das Mädchen die Türe und tritt ein. Nun 
seht, wenn mir Gott der Herr aus Wolken erschiene, so würd ich mich 
ohngefähr so fassen, wie sie. Geschirr und Becher und Imbiß, da sie 
den Ritter erblickt, läßt sie fallen; und leichenbleich, mit Händen, wie 
zur Anbetung verschränkt, den Boden mit Brust und Scheiteln küssend, 
stürzt sie vor ihm nieder, als ob sie ein Blitz nieder geschmettert hätte! 
Und da ich sage: Herr meines Lebens! Was fehlt dem Kind? und sie 
aufhebe: schlingt sie, wie ein Taschenmesser zusammenfallend, den 
Arm um mich, das Antlitz flammend auf ihn gerichtet, als ob sie eine 
Erscheinung hätte. Der Graf vom Strahl, indem er ihre Hand nimmt, 
fragt: wes ist das Kind? Gesellen und Mägde strömen herbei und 
jammern: hilf Himmel! Was ist dem Jüngferlein widerfahren; doch da
sie sich, mit einigen schüchternen Blicken auf sein Antlitz, erholt, so 
denk ich, der Anfall ist wohl auch vorüber, und gehe, mit Pfriemen und 
Nadeln, an mein Geschäft. Drauf sag ich: Wohlauf, Herr Ritter! Nun 
mögt Ihr den Pfalzgrafen treffen; die Schiene ist eingerenkt, das Herz 
wird sie Euch nicht mehr zersprengen. Der Graf steht auf; er schaut das 
Mädchen, das ihm bis an die Brusthöhle ragt, vom Wirbel zur Sohle, 
gedankenvoll an, und beugt sich, und küßt ihr die Stirn und spricht: der 
Herr segne dich, und behüte dich, und schenke dir seinen Frieden, 
Amen! Und da wir an das Fenster treten: schmeißt sich das Mädchen, 
in dem Augenblick, da er den Streithengst besteigt, dreißig Fuß hoch, 
mit aufgehobenen Händen, auf das Pflaster der Straße nieder: gleich 
einer Verlorenen, die ihrer fünf Sinne beraubt ist! Und bricht sich beide 
Lenden, ihr heiligen Herren, beide zarten Lendchen, dicht über des 
Knierunds elfenbeinernem Bau; und ich, alter, bejammernswürdiger 
Narr, der mein versinkendes Leben auf sie stützen wollte, muß sie, auf 
meinen Schultern, wie zu Grabe tragen; indessen er dort, den Gott 
verdamme! zu Pferd, unter dem Volk, das herbeiströmt, herüberruft 
von hinten, was vorgefallen sei!--Hier liegt sie nun, auf dem Todbett, in 
der Glut des hitzigen Fiebers, sechs endlose Wochen, ohne sich zu 
regen. Keinen Laut bringt sie hervor; auch nicht der Wahnsinn, dieser 
Dietrich aller Herzen, eröffnet das ihrige; kein Mensch vermag das 
Geheimnis, das in ihr waltet, ihr zu entlocken. Und prüft, da sie sich ein 
wenig erholt hat, den Schritt, und schnürt ihr Bündel, und tritt, beim 
Strahl der Morgensonne, in die Tür: wohin? fragt sie die Magd; zum 
Grafen Wetter vom Strahl, antwortet sie, und verschwindet. 
Wenzel. Es ist nicht möglich! 
Hans. Verschwindet? 
Wenzel. Und läßt alles hinter sich zurück? 
Hans.    
    
		
	
	
	Continue reading on your phone by scaning this QR Code
 
	 	
	
	
	    Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the 
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.
	    
	    
