Ausgewählte Fabeln | Page 2

Gotthold Ephraim Lessing
J?gerhorns brauchte, nach dem Walde ging, begegnete ihm ein anderer Esel von seiner Bekanntschaft und rief ihm zu: "Guten Tag, mein Bruder!"--
"Unversch?mter!" war die Antwort.--
"Und warum das?" fuhr jener Esel fort. "Bist du deswegen, weil du mit einem L?wen gehst, besser als ich, mehr als ein Esel?"

Der Esel und das Jagdpferd
Ein Esel verma? sich, mit einem Jagdpferd um die Wette zu laufen. Die Probe fiel erb?rmlich aus, und der Esel ward ausgelacht. "Ich merke nun wohl", sagte der Esel, "woran es gelegen hat; ich trat mir vor einigen Monaten einen Dorn in den Fu?, und der schmerzt mich noch."
"Entschuldigen Sie mich", sagte der Kanzelredner Liederhold, "wenn meine heutige Predigt so gründlich und erbaulich nicht gewesen, als man sie von dem glücklichen Nachahmer eines Mosheims erwartet h?tte; ich habe, wie Sie h?ren, einen heisern Hals, und den schon seit acht Tagen."

Der Esel und der Wolf
Ein Esel begegnete einem hungrigen Wolfe. "Habe Mitleid mit mir", sagte der zitternde Esel, "ich bin ein armes krankes Tier; sieh nur, was für einen Dorn ich mir in den Fu? getreten habe!"
"Wahrhaftig, du dauerst mich", versetzte der Wolf. "Und ich finde mich in meinem Gewissen verbunden, dich von deinen Schmerzen zu befreien."
Kaum ward das Wort gesagt, so ward der Esel zerrissen.

Der Fuchs
Ein verfolgter Fuchs rettete sich auf eine Mauer. Um auf der andern Seite gut herabzukommen, ergriff er einen nahen Dornstrauch. Er lie? sich auch glücklich daran nieder, nur da? ihn die Dornen schmerzlich verwundeten. "Elende Helfer", rief der Fuchs, "die nicht helfen k?nnen, ohne zugleich zu schaden!"

Der Geizige
"Ich Unglücklicher!" klagte ein Geizhals seinem Nachbar. "Man hat mir den Schatz, den ich in meinem Garten vergraben hatte, diese Nacht entwendet und einen verdammten Stein an dessen Stelle gelegt."
"Du würdest", antwortete ihm der Nachbar, "deinen Schatz doch nicht genutzt haben. Bilde dir also ein, der Stein sei dein Schatz; und du bist nichts ?rmer."
"W?re ich schon nichts ?rmer", erwiderte der Geizhals; "ist ein andrer nicht um so viel reicher? Ein andrer um so viel reicher! Ich m?chte rasend werden."

Der Hamster und die Ameise
"Ihr armseligen Ameisen", sagte ein Hamster. Verlohnt es sich der Mühe, da? ihr den ganzen Sommer arbeitet, um ein so Weniges einzusammeln? Wenn ihr meinen Vorrat sehen solltet!--"
"H?re", antworibete eine Ameise, "wenn er gr??er ist, als du ihn brauchst, so ist es schon recht, da? die Menschen dir nachgraben, deine Scheuern ausleeren und dich deinen r?uberischen Geiz mit dem Leben bü?en lassen!"

Der Hirsch
Die Natur hatte einen Hirsch von mehr als gew?hnlicher Gr??e gebildet, und an seinem Halse hingen ihm lange Haare herab. Da dachte der Hirsch bei sich selbst: Du k?nntest dich ja wohl für ein Elend ansehen lassen. Und was tat der Eitle, ein Elend zu scheinen? Er hing den Kopf traurig zur Erde und stellte sich, sehr oft das b?se Wesen zu haben.
So glaubt nicht selten ein witziger Geck, da? man ihn für keinen sch?nen Geist halten werde, wenn er nicht über Kopfweh und Hypochonder klage.

Der Hirsch und der Fuchs
Der Hirsch sprach zu dem Fuchse: "Nun weh uns armen schw?cheren Tieren! Der L?we hat sich mit dem Wolfe verbunden."
"Mit dem Wolfe?" sagte der Fuchs. "Das mag noch hingehen! Der L?we brüllt, der Wolf heult und so werdet, ihr euch noch oft beizeiten mit der Flucht retten k?nnen. Aber alsdenn, alsdenn m?chte es um uns alle geschehen sein, wenn es dem gewaltigen L?wen einfallen sollte, sich mit dem schleichenden Luchse zu verbinden."

Der Knabe und die Schlange
Ein Knabe spielte mit einer zahmen Schlange. "Mein liebes Tierchen", sagte der Knabe, "ich würde mich mit dir so gemein nicht machen, wenn dir das Gift nicht benommen w?re. Ihr Schlangen seid die boshaftesten, undankbarsten Gesch?pfe! Ich habe es wohl gelesen, wie es einem armen Landmanne ging, der eine, vielleicht von deinen Ureltern, die er halb erfroren unter einer Hecke fand, mitleidig aufhob und sie in seinen erw?rmenden Busen steckte. Kaum fühlte sich die B?se wieder, als sie ihren Wohlt?ter bi?; und der gute freundliche Mann mu?te sterben."
"Ich erstaune", sagte die Schlange, "wie parteiisch eure Geschichtschreiber sein müssen! Die unsrigen erz?hlen diese Historie ganz anders. Dein freundlicher Mann glaubte, die Schlange sei wirklich erfroren, und weil es eine von den bunten Schlangen war, so steckte er sie zu sich, ihr zu Hause die sch?ne Haut abzustreiten. War das recht?"
"Ach, schweig nur", erwiderte der Knabe. "Welcher Undankbare h?tte sich nicht zu entschuldigen gewu?t!"
"Recht, mein Sohn", fiel der Vater, der dieser Unterredung zugeh?rt hatte, dem Knaben ins Wort. "Aber gleichwohl, wenn du einmal von einem au?erordentlichen Undanke h?ren solltest, so untersuche ja alle Umst?nde genau, bevor du einen Menschen mit so einem abscheulichen Schandflecke brandmarken l?ssest. Wahre Wohlt?ter haben selten Undankbare verpflichtet; ja, ich will zur Ehre der Menschheit hoffen-- niemals. Aber die Wohlt?ter mit kleinen eigennützigen Absichten, die sind es wert, mein Sohn, da? sie Undank anstatt Erkenntlichkeit einwuchern."

Der L?we mit dem Esel
Als des ?sopus L?we mit dem Esel, der
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