Romeo und Julia | Page 2

William Shakespeare
folglich werde ich
Montagues Bediente von der Mauer wegstoßen und seine Mädchen
gegen die Mauer drücken.
GREGORIO Der Streit ist nur zwischen unseren Herrschaften und uns,
ihren Bedienten. [Es mit den Mädchen aufnehmen? Pfui doch! Du

solltest dich lieber von ihnen aufnehmen lassen.]
SIMSON Einerlei! Ich will barbarisch zu Werke gehn. Hab ichs mit
den Bedienten erst ausgefochten, so will ich mir die Mädchen
unterwerfen. [Sie sollen die Spitze meines Degens fühlen, bis er stumpf
wird.] Ich werde sie ihrer jungfräulichen Häupter berauben.
GREGORIO Die Jungfrauen enthaupten?
SIMSON Jawohl, die Jungfrauen enthaupten oder ihnen die
Jungfräulichkeit nehmen, nimm es in dem einen oder anderen Sinn,
ganz wie du willt.
GREGORIO Sie werden es sinngemäß aufnehmen müssen, die es zu
spüren bekommen.
SIMSON Mich sollen sie zu spüren bekommen, solange ich noch
standhalten kann: und es ist bekannt, daß ich ein hübsches Stück
Fleisches bin.
GREGORIO Nur gut, daß du nicht Fisch bist, sonst wärst du ein
ärmlicher Dörr-Hering.--Zieh nur gleich vom Leder: Da kommen zwei
aus dem Hause der Montagues.
(Abraham und Balthasar treten auf.)
SIMSON Hier, meine Waffe ist blank. Fang nur Händel an, ich will
den Rücken decken.
GREGORIO Den Rücken? Willst du Reißaus nehmen?
SIMSON Fürchte nichts von mir!
GREGORIO Ne, wahrhaftig! Ich dich fürchten?
SIMSON Laß uns das Recht auf unsrer Seite behalten, laß sie
anfangen!
GREGORIO Ich will ihnen im Vorbeigehn ein Gesicht ziehen, sie
mögens nehmen, wie sie wollen.
SIMSON Wie sie wagen, lieber. Ich will ihnen einen Esel bohren;
wenn sie es einstecken, so haben sie den Schimpf.
(Abraham und Balthasar treten auf.)
ABRAHAM Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr?
SIMSON Ich bohre einen Esel, mein Herr.
ABRAHAM Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr?
SIMSON Ist das Recht auf unsrer Seite, wenn ich ja sage?
GREGORIO Nein.
SIMSON Nein, mein Herr! Ich bohre Euch keinen Esel, mein Herr.
Aber ich bohre einen Esel, mein Herr.

GREGORIO Sucht Ihr Händel, mein Herr?
ABRAHAM Händel, Herr? Nein, mein Herr.
SIMSON Wenn Ihr sonst Händel sucht, mein Herr: ich steh zu
Diensten. Ich bediene einen ebenso guten Herrn wie Ihr.
ABRAHAM Keinen bessern.
SIMSON Sehr wohl, mein Herr!
(Benvolio tritt auf.)
GREGORIO Sag: einen bessern; hier kommt ein Vetter meiner
Herrschaft.
SIMSON Ja doch, einen bessern, mein Herr.
ABRAHAM Ihr lügt!
SIMSON Zieht, falls ihr Kerls seid! Frisch, Gregorio! denk mir an
deinen Schwadronierhieb.
(Sie fechten. Benvolio tritt auf.)
BENVOLIO Ihr Narren, fort! Steckt eure Schwerter ein; Ihr wißt nicht,
was ihr tut.
(Er schlägt ihre Schwerter nieder. Tybalt tritt auf.)
TYBALT Was? Ziehst du unter den verzagten Knechten? Hieher,
Benvolio! Biet die Stirn dem Tode!
BENVOLIO Ich stifte Frieden, steck dein Schwert nur ein! Wo nicht,
so führ es, diese hier zu trennen!
TYBALT Was? Ziehn und Friede rufen? Wie die Hölle Haß ich das
Wort, wie alle Montagues Und dich! Wehr dich, du Memme!
(Sie fechten. Verschiedene Anhänger beider Häuser kommen und
mischen sich in den Streit; dann Bürger mit Knütteln.)
ERSTER BÜRGER He! Spieß' und Stangen her!--Schlagt auf sie los!
Weg mit den Capulets!--Weg mit den Montagues!
(Capulet im Schlafrock und Gräfin Capulet.)
CAPULET Was für ein Lärm?--Holla, mein langes Schwert!
GRÄFIN CAPULET Nein, Krücken, Krücken! Wozu soll ein Schwert!
CAPULET Mein Schwert, sag ich! Der alte Montague Kommt dort und
schwingt die Klinge mir zum Hohn.
(Montague und Gräfin Montague.)
MONTAGUE Du Schurke Capulet!--
MONTAGUE Schon manchen Morgen ward er dort gesehn, Wie er den
frischen Tau durch Tränen mehrte Und, tief erseufzend, Wolk an
Wolke drängte. Allein sobald im fernsten Ost die Sonne, Die

allerfreunde, von Auroras Bett Den Schattenvorhang wegzuziehn
beginnt, Stiehlt vor dem Licht mein finstrer Sohn sich heim Und sperrt
sich einsam in sein Kämmerlein, Verschließt dem schönen Tageslicht
die Fenster Und schaffet künstlich Nacht um sich herum. In schwarzes
Mißgeschick wird er sich träumen, Weiß guter Rat den Grund nicht
wegzuräumen.
BENVOLIO Mein edler Oheim, wisset Ihr den Grund?
MONTAGUE Ich weiß ihn nicht und kann ihn nicht erforschen.
BENVOLIO Lagt Ihr ihm jemals schon deswegen an?
MONTAGUE Ich selbst sowohl als mancher andre Freund. Doch er,
der eignen Neigungen Vertrauter, Ist gegen sich, wie treu, will ich nicht
sagen, Doch so geheim und in sich selbst gekehrt, So unergründlich
forschendem Bemühn Wie eine Knospe, die ein Wurm zernagt, Eh sie
der Luft ihr zartes Laub entfalten Und ihren Reiz der Sonne weihen
kann. Erführen wir, woher sein Leid entsteht, Wir heilten es so gern, als
wirs erspäht.
(Romeo erscheint in einiger Entfernung.)
BENVOLIO Da kommt er, seht! Geruht, uns zu verlassen; Galt ich ihm
je was, will ich schon ihn fassen.
MONTAGUE O beichtet' er für dein Verweilen dir Die Wahrheit
doch!--Kommt, Gräfin, gehen wir!
(Montague und Gräfin Montague gehen ab. Romeo tritt auf.)
BENVOLIO Ha, guten Morgen, Vetter!
ROMEO Erst so weit?
BENVOLIO Kaum schlug es neun.
ROMEO Weh mir. Gram dehnt die Zeit. War das
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