Reineke Fuchs

Johann Wolfgang von Goethe
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Reineke Fuchs
Johann Wolfgang Goethe
Inhalt
Erster Gesang
Zweiter Gesang
Dritter Gesang
Vierter Gesang
Fünfter Gesang
Sechster Gesang
Siebenter Gesang
Achter Gesang
Neunter Gesang
Zehnter Gesang
Elfter Gesang
Zwölfter Gesang
Erster Gesang
Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen! es grünten und blühten
Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken
Übten
ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel;
Jede Wiese sproßte
von Blumen in duftenden Gründen,
Festlich heiter glänzte der

Himmel und farbig die Erde.
Nobel, der König, versammelt den Hof; und seine Vasallen
Eilen
gerufen herbei mit großem Gepränge; da kommen
Viele stolze
Gesellen von allen Seiten und Enden,
Lütke, der Kranich, und
Markart, der Häher, und alle die Besten. Denn der König gedenkt mit
allen seinen Baronen
Hof zu halten in Feier und Pracht; er läßt sie
berufen
Alle miteinander, so gut die Großen als Kleinen.
Niemand
sollte fehlen! und dennoch fehlte der Eine,
Reineke Fuchs, der
Schelm! der viel begangenen Frevels
Halben des Hofs sich enthielt.
So scheuet das böse Gewissen Licht und Tag, es scheute der Fuchs die
versammelten Herren. Alle hatten zu klagen, er hatte sie alle beleidigt,

Und nur Grimbart, den Dachs, den Sohn des Bruders, verschont' er.
Isegrim aber, der Wolf, begann die Klage; von allen
Seinen Vettern
und Gönnern, von allen Freunden begleitet,
Trat er vor den König
und sprach die gerichtlichen Worte:
Gnädigster König und Herr!
vernehmet meine Beschwerden.
Edel seid Ihr und groß und ehrenvoll,
jedem erzeigt Ihr
Recht und Gnade: so laßt Euch denn auch des
Schadens erbarmen, Den ich von Reineke Fuchs mit großer Schande
gelitten.
Aber vor allen Dingen erbarmt Euch, daß er mein Weib so

Freventlich öfters verhöhnt und meine Kinder verletzt hat.
Ach! er
hat sie mit Unrat besudelt, mit ätzendem Unflat,
Daß mir zu Hause
noch drei in bittrer Blindheit sich quälen. Zwar ist alle der Frevel schon
lange zur Sprache gekommen,
Ja, ein Tag war gesetzt, zu schlichten
solche Beschwerden;
Er erbot sich zum Eide, doch bald besann er
sich anders
Und entwischte behend nach seiner Feste. Das wissen

Alle Männer zu wohl, die hier und neben mir stehen.
Herr! ich könnte
die Drangsal, die mir der Bube bereitet,
Nicht mit eilenden Worten in
vielen Wochen erzählen.
Würde die Leinwand von Gent, so viel auch
ihrer gemacht wird, Alle zu Pergament, sie faßte die Streiche nicht alle,

Und ich schweige davon. Doch meines Weibes Entehrung
Frißt
mir das Herz; ich räche sie auch, es werde, was wolle.

Als nun Isegrim so mit traurigem Mute gesprochen,
Trat ein
Hündchen hervor, hieß Wackerlos, redte französisch Vor dem König:
wie arm es gewesen und nichts ihm geblieben
Als ein Stückchen
Wurst in einem Wintergebüsche;
Reineke hab auch das ihm
genommen! Jetzt sprang auch der Kater Hinze zornig hervor und
sprach: Erhabner Gebieter,
Niemand beschwere sich mehr, daß ihm
der Bösewicht schade,
Denn der König allein! Ich sag Euch, in dieser
Gesellschaft Ist hier niemand, jung oder alt, er fürchtet den Frevler

Mehr als Euch! Doch Wackerlos' Klage will wenig bedeuten.
Schon
sind Jahre vorbei, seit diese Händel geschehen;
Mir gehörte die Wurst!
ich sollte mich damals beschweren.
Jagen war ich gegangen; auf
meinem Wege durchsucht ich
Eine Mühle zu Nacht; es schlief die
Müllerin; sachte
Nahm ich ein Würstchen, ich will es gestehn; doch
hatte zu dieser Wackerlos irgendein Recht, so dankt' ers meiner
Bemühung.
Und der Panther begann: Was helfen Klagen und Worte!
Wenig
richten sie aus, genug, das übel ist ruchtbar.
Er ist ein Dieb, ein
Mörder! Ich darf es kühnlich behaupten, Ja, es wissens die Herren, er
übet jeglichen Frevel.
Möchten doch alle die Edlen, ja selbst der
erhabene König
Gut und Ehre verlieren: er lachte, gewänn er nur
etwa
Einen Bissen dabei von einem fetten Kapaune.
Laßt Euch
erzählen, wie er so übel an Lampen, dem Hasen,
Gestern tat; hier
steht er! der Mann, der keinen verletzte. Reineke stellte sich fromm und
wollt ihn allerlei Weisen
Kürzlich lehren, und was zum Kaplan noch
weiter gehöret,
Und sie setzten sich gegeneinander, begannen das
Kredo.
Aber Reineke konnte die alten Tücken nicht lassen;

Innerhalb unsers Königes Fried und freiem Geleite
Hielt er Lampen
gefaßt mit seinen Klauen und zerrte
Tückisch den redlichen Mann.
Ich kam die Straße gegangen,
Hörte beider Gesang, der, kaum
begonnen, schon wieder
Endete. Horchend wundert ich mich, doch
als ich hinzukam,
Kannt ich Reineken stracks, er hatte Lampen beim
Kragen;
Ja, er hätt ihm gewiß das Leben genommen, wofern ich

Nicht zum Glücke des Wegs gekommen wäre. Da steht er!
Seht die

Wunden an ihm, dem frommen Manne, den keiner
Zu beleidigen
denkt. Und will es unser Gebieter,
Wollt ihr Herren es leiden, daß so
des Königes Friede,
Sein Geleit und Brief von einem Diebe verhöhnt
wird,
O, so wird der König und seine Kinder noch späten
Vorwurf
hören von Leuten, die Recht und Gerechtigkeit lieben.
Isegrim sagte darauf. So wird es bleiben, und leider
Wird uns
Reineke nie was Gutes erzeigen. O! läg er
Lange tot, das wäre das
beste für friedliche Leute;
Aber wird ihm diesmal verziehn, so wird er
in kurzem
Etliche kühnlich berücken, die nun es am wenigsten
glauben.
Reinekens Neffe, der Dachs, nahm jetzt die Rede, und mutig
Sprach
er zu Reinekens Bestem, so
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