Die gefesselte Phantasie | Page 2

Ferdinand Raimund
der mir noch borgt. Wer borgt denn nicht? Alles ist auf dieser Welt geborgt, das Leben selbst ist nur geliehene Ware; die Erd��, auf der wir wandeln, ist nicht schuldenfrei: der Raum, in dem sie schwebt, geh?rt der Luft, sie w?re blind, wenn ihr die Sonn�� den Star nicht sticht; und auch die Sonne, die Verschwenderin, die ein zu gl?nzend�� Haus nur f��hrt, bezieht ganz sicherlich ihr leuchtend�� Gold aus einer Wucherwelt.
narr. Du sprichst ja wie ein Sokrates!
distichon. Beneid�� mich nicht um meinen Genius! Wem H?heres geworden, der hat auch h?here Zinsen abzutragen.
narr. Da kommst du gut davon, denn f��r das bi?chen Hirn, was dir Natur geliehen, wirst du ihr wenig Zinsen zahlen.
distichon. Man will an andern niemals finden, was man selbst vermi?t. ?sthetisch Wirken herrscht auf Flora; du geh?rst nicht unter uns, wir ringen nach Unsterblichkeit.
narr. O, ihr betriebsamen Florianer! M��?iggang hei?t euer Gewerb; ich will dir ein Mittel sagen, das dich unsterblich macht: leg�� du die Zeit, in der du m��?ig gehst, als Kapital zur��ck, und wenn dein lumpicht Leben ausgeht, flick�� sie hinten dran, dann lebst du fort in alle Ewigkeit.
affriduro. Wie kannst du��s wagen, Narr, in meiner Gegenwart solch ungeschliffenen Scherz zu treiben?
narr. Verzeih��, dich hab�� ich nicht gemeint, dich nehm�� ich schon ein andersmal aufs Korn. Er hat ein Spottgedicht auf mich gemacht, drum hetz�� ich ihn, so lang ich Atem hab��!
odi. Vers?hnet euch, ich hab�� euch etwas zu entdecken.
narr. Was, eine Neuigkeit? Waffenstillstand unterdessen! Vielleicht gibt��s neuen Stoff zum Schimpfen.
odi. So h?rt denn! Unsere F��rstin ist verliebt.
distichon. In wen?
odi. Ja seht, das wei? ich nicht.
narr. Ich bitte dich, bewahre dein Geheimnis.
affriduro. Was sprachst du f��r ein Wort?
odi. Als gestern sie den stillen Hain betrat, wo sie so gerne weilt, schlich ich ihr nach und sah, wie ein Gedicht sie aus dem Busen zog, das sie wohl mehr als zwanzigmal gek��?t.
distichon (seufzend). O! w?r ich dies Gedicht gewesen!
narr. Dann h?tt�� sie��s sicher nicht gelesen.
odi. Dann rief begeistert sie: "Nur ein Genie, das so die Liebe schildern kann, ist meiner Liebe wert."
distichon (beiseite). War��s mein Gedicht, bin ich der Gl��ckliche?
odi. Doch in dem Augenblick kam Amphio mit ihrer Lilienherde, und ich ward verscheucht.
affriduro. Sag�� mir doch, Odi, wie kommt Amphio, ein Fremdling hier im Lande, zu der Ehre, Hermionens Lieblingsl?mmer zu bewachen?
odi. Das will ich euch erz?hlen. Dieser Hirt scheint mir nichts Gew?hnliches zu sein. Der Aufseher der f��rstlichen Herde ward vor einem Jahr von einer Schlange ��berfallen, die ihn get?tet h?tte, wenn nicht ein junger Wanderer aus einem Busche springt und sie erschl?gt. Amphio war der k��hne J��ngling, er forderte keinen Dank, als einen kleinen Dienst in unserem Land; er w?re eine Waise, sagte er, und suchte unter fremden V?lkern nun sein Gl��ck, da er��s in seiner Heimat nicht gefunden hat. Der Aufseher, von Dankbarkeit bewegt, erinnert sich, da? er einen Stier bes??e, welcher gold��ne H?rner tr?gt. distichon. Goldene H?rner? H?tt�� ich diesen Stier, das w?r�� ein Kapital!
narr. Mir w?r�� ein Hirsch mit gold��nem G��weih viel lieber, der wirft doch alle Jahr�� Interessen ab.
odi. Nun stellt euch vor, von Dankbarkeit bewegt, ernennt er ihn zum H��ter dieses Stiers.
narr (weint). O, edler Mann! O sch?ne Vermundschaft! Wie war denn das? Hat der Ochs ihm befohlen oder er dem Ochsen?
odi. Das letztere.
narr. Das ist doch noch ein Gl��ck. Ich hab�� das erste auch erlebt schon in der Welt.
odi. Und da er seinen Dienst so treu versah, schwang er sich zum Hirten uns��rer Lilienherde auf; doch liegt etwas Geheimnisvolles in dem Jungen, und da? zum Hirten er geboren, glaub�� ich nimmermehr.
affriduro. Hermione naht, zieht euch zur��ck.

4. Szene
hermione. gefolge. vorige
chor. Heil Hermione! Gl��cklich die Zone, In der sie thront!
hermione. Ganz ungew?hnlich ist die Stunde zwar, in der ihr meine Gegenwart verlangt, doch gibt es keine Zeit, in der ich euch nicht angeh?rte; stets haben unsere W��nsche freundlich sich begr��?t, da? sie sich heute feindlich trennen werden, hoff�� ich nicht. Sprecht aus, was ihr begehrt!
affriduro. Auf dein Gehei?, o K?nigin, befragt�� ich das Orakel des Apoll��, wodurch der ��bermut der Zauberschwestern sei zu b?ndigen und was durch sie die dunkle Zukunft unserem Lande droht.
hermione. Und des Orkakels Spruch?
affriduro. Verderben, Krieg droht Eurem Blumenreich, wenn Ihr die Zauberschwestern nicht daraus verjagt.
alles. Wehe uns!
hermione. Was raten meine Weisen mir?
distichon (tritt vor). So h?re mich denn, hohe Hermione!
narr (springt in die Mitte). Um des Himmels willen, du vergi?t dich ja! Die Weisen sollen sprechen; du hast das Gegenteil verstanden; bist denn du ein Weiser?
distichon. Das bin ich--oder h?ltst du mich f��r einen Narren?
narr (bescheiden protestierend). Du hast mich eben dieser M��h�� enthoben.
distichon. Wieso?
narr. Du glaubst ja fest, da? du ein Weiser bist.
distichon (unwillig). Nun ja!
narr. Da h?ltst du dich ja selbst f��r einen Narren; was brauch�� denn ich��s zu tun? F��r naseweis hab�� ich dich stets gehalten, doch eine and��re Weisheit trau�� ich dir nicht zu.
distichon. Das gedenk�� ich dir, Bastard des Jokus!
hermione.
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 21
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.