Die Richterin: Novelle | Page 2

Conrad Ferdinand Meyer
fa?te er sich ein Herz und sprach in vernehmlichen Worten zu sich selbst: "Erstaunliche Sache, diese Palastschule, und ein G��nstling des Gl��cks, wer ihr angeh?ren darf!"
��ber eine gepanzerte Schulter wendete sich ein junger Rotbart und sprach gelassen: "Wir schw?nzen sie meistenteils." Dann kehrte sich der ganze H?fling, ein baumlanger Mensch, und fragte den R?ter mit einem sp?ttischen Gesichte: "Welcher Eltern r��hmst du dich, Knabe?"
Dieser gab vergn��gten Bescheid. "Ich bin der Neffe des Bischofs Felix in Chur und mit seinen Briefen an den Heiligen Stuhl geschickt."
"R?ter", sprach der Lange ernsthaft, "du bist an den Quell der Wahrheit gesendet. Hier stehst du auf den Schwellen der Apostel und ��ber den Gr��ften unz?hliger Bekenner. Lege wahrhaftes Zeugnis ab und bekenne tapfer: Ich bin der Sohn des Bischofs."
Eben intonierten die M?nche von Ara C?li mit jungen und markigen Stimmen die dunkle Klage und flehende Entschuldigung: "Concepit in iniquitatibus me mater mea!"
"H?rst du", und der H?fling deutete nach der Kirche, "die dort wissen es!" Der ganze Haufe schlug eine schallende Lache auf.
Der kluge Bischofsneffe h��tete sich, in Zorn zu geraten. Mit einem fl��chtigen Err?ten und einer leichten Wendung des Kopfes sagte er. "Bischof Felix, der im Schatten seiner Berge die aus eurer Schule aufsteigende Sonne der Bildung mit frommem Jubel begr��?t, hat mir den Auftrag gegeben, f��r seine jung gebliebene Lernbegierde einige Hauptschriften der erwachenden Wissenschaft und insbesondere das unvergleichliche B��chlein der Disputationen des Abtes Alcuin zu erwerben. Nun wird erz?hlt, dieser gro?e und gute Lehrer habe jeden von euch mit einem kostbaren Exemplare ausger��stet, und ich meine nur, einer dieser Herren h?tte vielleicht Lust, einen Handel zu schlie?en."
"Du sprichst wahr und weise, Bischofssohn", parodierte ihn der H?fling, "und w?re mein Alcuin nicht l?ngst unter die Hebr?er gegangen, mochte es geschehen, da? wir zweie zu dieser Stunde darum ein kurzweiliges W��rfelspielchen machten."
"In unchristliche H?nde! diese g?ttliche Weisheit!" wehklagte der R?ter.
"Weisheit!" spottete der Rotbart, "ich versichere dir: lauter dummes Zeug. ��brigens wei? ich es auswendig. H?re nur, Bergbewohner!" Er kr��mmte den langen R��cken wie ein verbogener Schulmeister, zog die Brauen in die H?he und wendete sich an den j��ngsten der Bande, einen Krauskopf, der, fast noch ein Knabe, aus s��dlichen Augen lachend mit Lust und Liebe auf das gottlose Spiel einging.
"J��ngling", predigte der falsche Alcuin, "du hast einen guten Charakter und einen gelehrigen Geist. Ich werde dir eine ungeheuer schwere Frage vorlegen. Siehe, ob du sie beantwortest. Was ist der Mensch?"
"Ein Licht zwischen sechs W?nden", antwortete der Knabe and?chtig.
"Welche W?nde?"
"Das Links, das Rechts, das Vorn, das Nichtvorn, das Oben, das Unten." Jeden dieser R?ume bezeichnete er mit einer Geb?rde: beim f��nften starrte er in den leuchtenden Himmel hinauf, als bestaune er einen Engelreigen, und bohrte schlie?lich einen stieren Blick in den Boden, als entdecke er die versch��ttete Tarpeja. Jubelndes Klatschen belohnte die Faxe.
Die wachsende Lustigkeit der Palastschule begann den Bischofsneffen zu ?ngstigen. Da trat im guten Augenblicke einer aus dem Kreise, ein k��hner Krieger, dem an der rechten Seite des st?mmigen Wuchses ein seltsam gewundenes Hifthorn hing. "Sei getrost", sagte er und ergriff die Hand des R?ters, "du sollst ein Pergament haben. Das meinige. Es schleppt sich unter dem Gep?cke." Er f��hrte den Erl?sten weg, die Treppe des Kapitols hinunter, sich nicht weiter um seine Gef?hrten bek��mmernd.
Jetzt gingen sie freundlich nebeneinander, wenn auch nicht mehr Hand in Hand. Die des Palastsch��lers war auf das Hifthorn geglitten, das der Bischofsneffe mit aufmerksamen Blicken betrachtete. "Das hier kommt aus dem Gebirge", sagte er.
"So", machte der Behelmte. "Aus welchem Gebirge?"
"Aus unserm, Landsmann. Ich kenne dich an deiner Sprache, wie du mich ebendaran erkannt haben wirst, da du mich, wof��r ich dir danke, den Neckereien der Palastschule entzogest. Da? du es wissest, ich bin Graciosus"--der kluge R?ter hatte diesen seinen h��bschen Namen den Sp?ttern am Reiterbilde weislich verschwiegen--"oder auf deutsch Gnadenreich, und du bist Wulfrin, Sohn Wulfs, wenn dieses Hifthorn dein Erbteil ist, wie ich vermute."
Wulfrin runzelte die Stirn. Es mochte ihm nicht willkommen sein, von der Heimat zu h?ren. Dann musterte er Gnadenreich und fand einen anmutenden, wohlgebildeten J��ngling, eine Gott und Menschen gef?llige Erscheinung, nicht anders als der Name lautete. Er klopfte ihn auf die runde Schulter, deren Schmiegsamkeit zu dieser besch��tzenden Liebkosung einlud, und sagte. "Es macht warm." In der Tat strahlte nicht nur die r?mische M?rzsonne, sie brannte sogar.
"Ja, es macht warm", wiederholte er, hob den Helm und wischte mit der Hand einen Schwei?tropfen. "Leeren wir einen Becher?", und ohne die Antwort zu erwarten, bog er nach wenigen Schritten in den offenen Hofraum eines kl?sterlichen Geb?udes und warf sich dort auf eine Steinbank, wo Graciosus in Z��chten sich neben ihn setzte. "Ich darf mich nicht weiter verziehen", sagte der H?fling, "als das Horn reicht, wann Herr Karl die Schule zusammenruft. Auch liebe ich dieses junge Gesch?pf", scherzte er und zeigte auf eine Palme, welche in geringer Entfernung auf dem Vorsprunge eines H��gels, von leichten Windst??en bewegt,
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