Die Kurtisane Jamaica | Page 3

Hans Bethge
mit einem feinen,
wohligen Empfinden des Verliebtseins vor mir liegen: den schlanken
Körper, das dunkle Haar auf dem hellen Sande, die blutlosen Hände,
die zierlichen Fesseln der Füße unter den durchbrochenen
Seidenstrümpfen.
Das Essen nahmen wir auf der Veranda unseres Zimmers. Nebenan aß
ein Ehepaar mit seinen zwei halbwüchsigen Buben, auf der anderen
Seite ein Engländer. Diesen sahen wir öfter, wie er über die Balustrade
seiner Veranda hinauslehnte und eine Shagpfeife rauchte. Er hatte ein
scharfgeschnittenes Gesicht und klare, wasserfarbene Augen. Jamaica
ahmte ihn mitunter nach, indem sie sich grotesk auf die Balustrade
stützte, mit steifem Nacken und etwas vorgeschobener Unterlippe
hinausstarrte, ein paar Tabakswolken vor sich hinpaffte und ein
langgezogenes »=o yes=« hören ließ. Eines Morgens begegneten wir
ihm zu Pferde. Das Pferd war zu klein für ihn, seine Beine hingen lang
herab, und aus der Ferne sah er aus wie Don Quichotte. Er grüßte uns,
als er vorüberritt. Jamaica sah sich mehrmals lachend nach ihm um,
was ich überflüssig fand.
Ja, erst lachte sie über ihn und machte sich über ihn lustig, aber ich
merkte bald, daß er sie näher zu interessieren begann, mehr als sie
selber vielleicht noch ahnte. Als ich eines Mittags nach Hause kam und
auf die Veranda trat, sah ich, daß sich Jamaica über die Balustrade
lehnte, ebenso der Engländer nebenan, und daß sie miteinander
plauderten. Ich gestehe offen, es durchfuhr mich heiß vor Eifersucht.
Jamaica hatte ein so strahlendes und, wie ich fand, beinahe
hingebendes Gesicht, während sie mit ihm sprach, daß ich innerlich

empört war über diesen Verrat und wie in einem Blitz schon jählings
alles voraussah, wie es kommen mußte. Als sie mich erblickte, war sie
ganz unbefangen und stellte mich als ihren Gatten vor. Nachher bei
Tisch sagte sie: »Er ist wirklich sehr nett.« »So?« fragte ich.
Sie war auch fürderhin zutraulich und liebevoll zu mir, wie ich es
gewohnt war, aber jene Nuance der Demut, von der ich vorhin sprach
und die ich so liebte, meinte ich nicht mehr zu empfinden. Ich wurde
wohl etwas verschlossener in meinem Wesen, ich lachte nicht mehr so
unbefangen, und dann kamen bald Tage, wo ich deutlich merkte, daß
Jamaicas Gefühle lauer wurden. Sie hatte noch immer etwas
Anschmiegsames, aber ich fühlte, sie zwang sich dazu, sie gab sich
Mühe, liebevoll zu mir zu sein, da sie mich nicht betrüben wollte. Mit
Schmerzen nahm ich dies alles wahr und konnte es nicht hindern. Ihr
verändertes Wesen hatte zur Folge, daß meine Liebe nur noch wuchs.
Sie merkte diese sich steigernde Leidenschaft, und ich fühlte, wie
peinlich sie ihr war. Die gegenseitige untergründige Quälerei, die zwei
Menschen so nervös machen kann, fing schon an, in mir strudelte es
schon wie in einem aufgeregten Gewässer, aber ich beherrschte mich
noch völlig. In diesem Zustand trat ein unsinniger Gedanke an mich
heran, nämlich der Gedanke, Jamaica zu heiraten, damit sie mir nicht
entrinnen könne, und dieser Gedanke nahm bald ganz von mir Besitz.
Eines Morgens besuchte uns der Engländer in unserer Burg am Strande.
Jamaica las gerade, sie sah auf und ein schnelles Glänzen ging über ihr
Gesicht. Er zeigte uns eine kleine Versteinerung, die er gefunden hatte,
und da Jamaica so begeistert davon war, schenkte er sie ihr. Sein
Betragen war im übrigen völlig korrekt, nur verdroß mich die
übermäßige Ruhe in seinem Wesen, die etwas Überhebliches hatte. Er
bat, gelegentlich in der Frühe mit uns ausreiten zu dürfen; Jamaica
zeigte sich sehr erfreut über diesen Vorschlag. Dann reichte er uns
beiden die Hand und ging.
»Du hättest freundlicher zu ihm sein können«, sagte Jamaica, als er fort
war.
»Findest Du?« fragte ich nur; sonst nichts.

Sie las weiter und hielt dabei, ich sah es wohl, die kleine Versteinerung
fest umschlossen in ihrer seelenvollen Hand.
Für den Nachmittag hatten wir Pferde bestellt. Wir ritten den Strand
entlang, es war ein heißer, erschlaffender Tag. Wir sprachen wenig, es
war etwas zwischen uns, das uns die Lust zum Sprechen nahm.
Wir ritten einen kleinen Galopp; ich sah Jamaica scharf von der Seite
an, dann sagte ich:
»Jamaica, ich will etwas von Dir wissen.«
»Was?« fragte sie tiefatmend und sah mich erstaunt an.
»Liebst Du den Engländer?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Doch«, sagte ich, »denkst Du, ich merke es nicht? Ich halte es nicht
aus.«
Sie reichte mir die Hand herüber, mit einem freundlichen,
teilnahmsvollen Lächeln. So gibt man die Hand einem guten Kinde
zum Abschied, dachte ich. Ich nahm sie nicht.
»Jamaica, ich liebe Dich!« sagte ich nun. »Ich wüßte nicht, wie ich
meine Tage in Zukunft ohne Dich verbringen sollte. Ich will, daß Du
von jetzt ab nur mir gehörst -- verstehst Du? -- nur mir und keinem
andern. Sag, willst Du meine Frau werden?«
Sie entgegnete nichts und sah nur mit gedecktem Blick auf die Mähne
ihrer Stute.
»Ich möchte, daß wir uns heiraten. Jamaica, sag doch
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