Die Jüdin von Toledo | Page 2

Franz Grillparzer
sucht im Gesträuche.)
Esther. Ei, was kommt dich an? Das Kleinod--
Rahel. Glaubst du denn, ich sei so töricht Und verschleuderte das Gut?
Sieh! ich hab's, halt's in der Hand, Häng es wieder in mein Ohr, Weiß
und klein, zum Schmuck der Wange.
Isaak (suchend). Weh! Verloren!
Rahel. Vater, kommt nur! Seht, das Kleinod ist gefunden, 's war ja
Spaß nur.
Isaak Daß dich Gott--! So zu spaßen! Und nun komm!
Rahel. Vater, jedes, nur nicht dies. Ich muß mal den König sehen, Und
er mich, ja, ja, er mich. Wenn er kommt und wenn er fragt: Wer ist dort
die schöne Jüdin? Sag, wie heißt du?--Rahel, Herr! Isaaks Rahel!
sprech ich dann, Und er kneipt mich in die Backen. Heiße dann die
schöne Rahel. Mag der Neid darob zerplatzen, Wenn sie's ärgert,
kümmert's mich?
Esther. Vater!
Isaak. Wie?
Esther. Dort naht der Haufen.
Isaak. Herr des Lebens! Was geschieht mir? 's ist Rehabeam und sein
Volk. Wirst du gehen?
Rahel. Vater, hört doch!
Isaak. Nun, so bleibe! Esther komm! Lassen wir allein die Törin. Mag
der Unrein-Händ'ge kommen, Sie berühren, mag sie töten! Hat sie's
selber doch gewollt. Esther komm!
Rahel. Je, Vater, bleibt!
Isaak. Immer zu! Komm, Esther, komm! (Er geht.)
Rahel. Ich will nicht allein sein! Hört ihr? Bleibt!--Sie gehn--O weh
mir, weh! Ich will nicht allein sein! Hört ihr? Ach, sie
kommen.--Schwester! Vater! (Eilt ihnen nach.)
(Der König, die Königin, Manrique de Lara und Gefolge kommen.)
König (im Auftreten). Laßt näher nur das Volk! Es stört mich nicht;
Denn wer mich einen König nennt, bezeichnet Als Höchsten unter
vielen mich, und Menschen Sind so ein Teil von meinem eignen Selbst.

(Zur Königin gewendet.) Und du, kein mindrer Teil von meinem
Wesen, Willkommen mir in dieser treuen Stadt, Willkommen in
Toledos alten Mauern. Sieh rings um dich, und höher poch dein Herz,
Denk nur, du stehst an meines Geistes Wiege: Hier ist kein Platz, kein
Haus, kein Stein, kein Baum, Der Denkmal nicht von meiner Kindheit
Lose. Als ich vor meines bösen Oheims Wüten, Des Königs von Leon,
ein vaterloser, Der Mutter früher schon beraubten Knabe, Durch
Feindes Land, es war mein eignes, floh, Und mich von Stadt zu Stadt
Kastiliens Bürger Wie Hehler eines Diebstahls heimlich führten Weil
Tod bedräute Wirt zugleich und Gast, Und übrall nun umstellt war
meine Spur, Da brachten mich die Männer, Don Estevan Illan, den
längst der Rasen birgt des kühlen Grabs, Und dieser Mann, Manrique
Graf von Lara, Hierher, den Hauptsitz von der Feinde Macht Und
bargen mich im Turm von Sankt Roman, Den du dort siehst hoch ob
den Häusern ragen. Dort lag ich still, sie aber streuten aus Den Samen
des Gerüchts ins Ohr der Bürger. Und als am Tage Himmelfahrt die
Menge Versammelt war vor jenes Tempels Pforte Da führten sie mich
auf des Turmes Erker Und zeigten mich dem Volk und schrien hinab:
Hier mitten unter euch, hier euer König, Der Erbe alter Fürsten, ihres
Rechts Und eurer Rechte williger Beschirmer. Ich war ein Kind und
weinte, sagten sie. Noch aber hör ich ihn, den gellen Aufschrei, Ein
einzig Wort aus tausend bärt'gen Kehlen, Und tausend Schwerter wie in
einer Hand, Der Hand des Volks. Gott aber gab den Sieg, Die Leoneser
flohn; und fort und fort. Ich selber Fahne mehr als Krieger noch
Inmitten eines Heers, durchzog das Land Erfechtend mit des Mundes
Lächeln Siege; Sie aber lehrten mich und pflegten mein, Und
Muttermilch floß mir aus ihren Wunden. Deshalb, wenn andre Fürsten
Väter heißen Des eignen Volks, nenn ich mich seinen Sohn, Denn was
ich bin, verdank ich ihrer Treue.
Manrique. Wenn alles, was Ihr seid, vieledler Herr, Nur unsres
Beispiels, unsrer Worte Frucht, Dann nehmen wir den Dank und sind
des froh, Wenn unsre Lehren, unsre Pflege sich In so viel Ruhm, in so
viel Taten spiegeln, Dann ist der Dank so ein' als andre Pflicht. (Zur
Königin.) Seht ihn nur an mit Eurem holden Blick; Denn so viel Kön'ge
noch in Spanien waren, Vergleicht sich keiner ihm an hohem Sinn. Das
Alter ist wohl tadelsüchtig sonst, Auch ich bin alt und tadle gern und
viel, Und oft hab ich, im Rat mit meiner Meinung Besiegt von seinem

fürstlich hohen Wort, Geheim erbost--heißt das, auf kurze Zeit-- Bös
Zeugnis aufgesucht gen meinen Herrn, Ihn eines Fehls, weiß Gott wie
gerne, zeihend, Doch immer kehrt' ich tief beschämt zurück, Mir blieb
der Neid, und er war fleckenlos.
König. Ei, ei! Der Lehrer auch ein Schmeichler, Lara? Doch wollen wir
nicht dies und das bestreiten. Bin ich nicht schlimm, so besser denn für
Euch, Obgleich der Mensch, der wirklich ohne Fehler, Auch ohne
Vorzug wäre, fürcht ich fast; Denn wie der Baum mit lichtentfernten
Wurzeln Die etwa trübe Nahrung saugt tief aus dem Boden, So scheint
der Stamm, der Weisheit wird genannt Und der dem Himmel eignet
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