Die Huldigung der Künste | Page 2

Friedrich von Schiller
K?nigin zu Ehren,?Der erhabnen, gütigen,?Die in unser stilles Thal?Niederstieg, uns zu beglücken,?Aus dem hohen Kaisersaal.
Jüngling. Sie, die alle Reize schmücken,?Gütig, wie der Sonne Strahl.
Genius. Warum pflanzt ihr diesen Baum?
Jüngling. Ach, sie kommt aus fernem Land,?Und ihr Herz blickt in die Ferne!?Fesseln m?chten wir sie gerne?An das neue Vaterland.
Genius. Darum grabt ihr diesen Baum?Mit den Wurzeln in die Erde,?Da? die Hohe heimisch werde?In dem neuen Vaterland?
M?dchen. Ach, so viele zarte Bande?Ziehen sie zum Jugendlande!?Alles, was sie dort verlie?,?Ihrer Kindheit Paradies?Und den heil'gen Schoo? der Mutter?Und das gro?e Herz der Brüder?Und der Schwestern zarte Brust--?K?nnen wir es ihr ersetzen??Ist ein Preis in der Natur?Solchen Freuden, solchen Sch?tzen?
Genius. Liebe greift auch in die Ferne,?Liebe fesselt ja kein Ort.?Wie die Flamme nicht verarmet,?Zündet sich an ihrem Feuer?Eine andre wachsend fort--?Was sie Theures dort besessen,?Unverloren bleibt es ihr;?Hat sie Liebe dort verlassen,?Findet sie die Liebe hier.
Mutter. Ach, sie tritt aus Marmorhallen,?Aus dem goldnen Saal der Pracht.?Wir die Hohe sich gefallen?Hier, wo über freien Auen?Nur die goldne Sonne lacht?
Genius. Hirten, euch ist nicht gegeben,?In ein sch?nes Herz zu schauen!?Wissen ein erhabner Sinn?Legt das Gro?e in das Leben,?Und er sucht es nicht darin.
Jüngling. O sch?ne Fremdlinge! lehrt uns sie binden,?O lehrt uns, ihr wohlgef?llig sein!?Gern wollten wir ihr duft'ge Kr?nze winden?Und führten sie in unsre Hütten ein!
Genius. Ein sch?nes Herz hat bald sich heim gefunden,?Es schafft sich selbst, still wirkend, seine Welt.?Und wie der Baum sich in die Erde schlingt?Mit seiner Wurzeln Kraft und fest sich kettet,?So rankt das Edle sich, das Treffliche,?Mit seinen Thaten an das Leben an.?Schnell knüpfen sich der Liebe zarte Bande,?Wo man beglückt, ist man im Vaterlande.
Alle Landleute. O sch?ner Fremdling! sag, wie wir sie binden, Die Herrliche, in unsern stillen Gründen?
Genius. Es ist gefunden schon, das zarte Band,?Nicht Alles ist ihr fremd in diesem Land;?Mich wird sie wohl und mein Gefolge kennen,?Wenn wir uns ihr verkündigen und nennen.
(Hier tritt der Genius bis ans Proszenium, die sieben G?ttinnen thun das Gleiche, so da? sie ganz vorn einen Halbkreis bilden. In dem Augenblick, wo sie vortreten, enthüllen sie ihre Attribute, die sie bis jetzt unter den Gew?ndern verborgen gehalten.)
Genius (gegen die Fürstin).?Ich bin der schaffende Genius des Sch?nen,?Und die mir folget, ist der Künste Schaar.?Wir sind's, die alle Menschenwerke kr?nen,?Wir schmücken den Palast und den Altar.?L?ngst wohnten wir bei deinem Kaiserstamme,?Und sie, die Herrliche, die dich gebar,?Sie n?hrt uns selbst die heil'ge Opferflamme?Mit reiner Hand auf ihrem Hausaltar.?Wir sind dir nachgefolgt, von ihr gesendet;?Denn alles Glück wird nur durch uns vollendet.
Architektur (mit einer Mauerkrone auf dem Haupt, ein goldnes Schiff in der Rechten).?Mich sahst du thronen an der Newa Strom!?Dein gro?er Ahnherr rief mich nach dem Norden,?Und dort erbaut' ich ihm ein zweites Rom;?Durch mich ist es ein Kaisersitz geworden.?Ein Paradies der Herrlichkeit und Gr??e?Stieg unter meiner Zauberruthe Schlag.?Jetzt rauscht des Lebens lustiges Get?se,?Wo vormals nur ein düstrer Nebel lag;?Die stolze Flottenrüstung seiner Maste?Erschreckt den alten Belt in seinem Meerpalaste.
Sculptur (mit einer Victoria in der Hand).?Auch mich hast du mit Staunen oft gesehen,?Die ernste Bildnerin der alten G?tterwelt.?Auf einen Felsen--er wird ewig stehen--?Hab' ich sein gro?es Heldenbild gestellt;?Und dieses Siegesbild, das ich erschaffen, (die Victoria zeigend) Dein hoher Bruder schwingt's in m?cht'ger Hand;?Es fliegt einher vor Alexanders Waffen,?Er hat's auf ewig an sein Heer gebannt.?Ich kann aus Thon nur Lebenloses bilden,?Er schafft sich ein gesittet Volk aus Wilden.
Malerei. Auch mich, Erhabne! wirst du nicht verkennen,?Die heitre Sch?pferin der t?uschenden Gestalt.?Von Leben blitzt es, und die Farben brennen?Auf meinem Tuch mit glühender Gewalt.?Die Sinne wei? ich lieblich zu betrügen,?Ja, durch die Augen t?usch' ich selbst das Herz;?Mit des Geliebten nachgeahmten Zügen?Versü?' ich oft der Sehnsucht bittern Schmerz.?Die sich getrennt nach Norden und nach Süden,?Sie haben mich--und sind nicht ganz geschieden.
Poesie. Mich h?lt kein Band, mich fesselt keine Schranke,?Frei schwing' ich mich durch alle R?ume fort.?Mein unerme?lich Reich ist der Gedanke,?Und mein geflügelt Werkzeug ist das Wort.?Was sich bewegt im Himmel und auf Erden,?Was die Natur tief im Verborgnen schafft,?Mu? mir entschleiert und entsiegelt werden,?Denn nichts beschr?nkt die freie Dichterkraft;?Doch Sch?nres find' ich nichts, wie lang ich w?hle,?Als in der sch?nen Form--die sch?ne Seele.
Musik (mit der Leier).?Der T?ne Macht, die aus den Saiten quillet,?Du kennst sie wohl, du übst sie m?chtig aus.?Was ahnungsvoll den tiefen Busen füllet,?Es spricht sich nur in meinen T?nen aus;?Ein holder Zauber spielt um deine Sinnen,?Ergie?' ich meinen Strom von Harmonien,?In sü?er Wehmuth will das Herz zerrinnen,?Und von den Lippen will die Seele fliehn,?Und setz' ich meine Leiter an von T?nen,?Ich trage dich hinauf zum h?chsten Sch?nen.
Tanz (mit der Cymbale).?Das hohe G?ttliche, es ruht in ernster Stille,?Mit stillem Geist will es empfunden sein.?Das Leben regt sich gern in üpp'ger Fülle;?Die Jugend will sich ?u?ern, will sich freun.?Die Freude führ' ich an der Sch?nheit Zügel,?Die gern die zarten Grenzen übertritt;?Dem schweren K?rper geb' ich Zephyrs Flügel,?Das Gleichma? leg' ich in des Tanzes Schritt.?Was sich bewegt, lenk' ich mit meinem Stabe,?Die Grazie ist meine
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