Der Pilger Kamanita

Karl Adolph Gjellerup
A free download from http://www.dertz.in


Der Pilger Kamanita

The Project Gutenberg eBook, Der Pilger Kamanita, by Karl Adolph
Gjellerup
This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
with this eBook or online at www.gutenberg.net

Title: Der Pilger Kamanita
Author: Karl Adolph Gjellerup
Release Date: February 7, 2005 [eBook #14962]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER
PILGER KAMANITA***
E-text prepared by Inka Weide and the Project Gutenberg Online
Distributed Proofreading Team

DER PILGER KAMANITA

Ein Legendenroman
von
KARL GJELLERUP

[Illustration]
I. DER ERHABENE BEGRÜSST DIE STADT DER FÜNF HÜGEL
Einst wanderte der Buddha im Lande Magadha von Ort zu Ort und kam
nach Rajagaha. Der Tag ging schon zur Neige, als der Erhabene sich
der Stadt der fünf Hügel näherte. Gleich dem Abglanz einer segnenden
Götterhand breiteten sich die milden Strahlen der Sonne über die weite,
mit grünen Reisfeldern und Wiesen bedeckte Ebene. Hier und dort
zeigten kleine an der Erde hinkriechende Wölkchen, wie aus reinstem
Goldstaube, daß Menschen und Ochsen von der Feldarbeit heimkehrten;
und die langgestreckten Schatten der Baumgruppen waren wie von
einer regenbogenfarbigen Glorie umgeben. Aus dem Kranze der
blühenden Gärten glänzten die Torzinnen, Terrassen, Kuppeln und
Türme der Hauptstadt hervor, und in unvergleichlichem Farbenschmelz,
als wären sie aus Topasen, Amethysten und Opalen gebildet, lag die
Reihe der Felsenhügel da.
Von diesem Anblick ergriffen, blieb der Erhabene stehen. Mit Freuden
begrüsste er jene vertrauten Formen, die so manche Erinnerungen für
ihn bargen: das graue Horn, das breite Joch, den Seherfelsen und den
Geierkulm, "dessen schöner Gipfel die andern wie ein Dach
überragt";--vor allen aber Vibhara, den Berg der heissen Quellen, der
mit seiner Höhle des Sattapannibaumes dem Heimatlosen eine erste
Heimat bereitet hatte--die erste Rast auf dem letzten Wege vom
Sansara ins Nirvana.
Denn als er damals "noch in frischer Blüte, mit glänzendem, dunklem
Haar, im Genusse glücklicher Jugend, im ersten Mannesalter, gegen
den Wunsch seiner weinenden und klagenden Eltern" das fürstliche
Vaterhaus im nördlichen Lande der Sakyer verlassen und seine Schritte

nach dem Gangatal gerichtet hatte, da gönnte er sich erst dort einen
längeren Aufenthalt, indem er jeden Morgen um Almosenspeise nach
Rajagaha ging. In jener Höhle hatte ihn auch damals der König von
Magadha, Bimbisara, besucht und ihn vergebens beschworen, ins
Elternhaus und ins Weltleben zurückzukehren, bis der Fürst, durch die
Worte des jungen Asketen umgestimmt, das erste Vertrauen fasste, das
ihn später zum Anhänger des Buddha machte.
Lange Zeit war seitdem verflossen--ein halbes Jahrhundert, in dem er
nicht nur seinen eigenen Lebenslauf, sondern den Lauf der Welt
gewendet hatte. Welcher Unterschied zwischen damals, als er drüben in
der Höhle des Sattapannibaumes weilte, und jetzt! Damals war er noch
ein Suchender, ein nach der Erlösung Ringender: schreckliche
Seelenkämpfe standen ihm noch bevor, jahrelange, ebenso furchtbare
wie fruchtlose Kasteiungen, bei deren Schilderungen selbst dem
Beherztesten seiner Zuhörer sich die Haare vor Entsetzen
sträubten;--bis er dann endlich, nach völliger Überwindung solcher
Schmerzensaskese, durch inbrünstige Selbstvertiefung die Erleuchtung
errang und zum Heil der Wesen als ein allerhöchster, vollendeter
Buddha aus dem Kampfe hervorging.
Damals ähnelte sein Leben einem unstäten Vormittag in der Regenzeit,
wo blendender Sonnenschein und tiefe Schatten wechseln, während der
Monsun die Wolken immer höher aufeinander türmt, und das tödlich
drohende Gewitter immer näher grollt. Jetzt aber war es von demselben
abendlichen, heiteren Frieden erfüllt, der über dieser Landschaft ruhte,
und der immer tiefer und verklärter zu werden schien, je mehr der
Sonnenball sich dem Horizonte näherte. Auch die Sonne seines
Lebenstages neigte sich ja dem Untergange zu. Sein Werk war
vollbracht. Das Reich der Wahrheit war fest begründet, die Heilslehre
der Menschheit verkündet; viele wandel- und wissensbewährte Mönche
und Nonnen und Laien-Anhänger beiderlei Geschlechts waren fähig,
dieses Reich zu schützen, diese Lehre aufrechtzuerhalten und
weiterzuverbreiten. Und schon stand nach den Erwägungen dieses
Tages, den er mit einsamer Wanderung zugebracht hatte, die
Erkenntnis in seinem Herzen fest: gar bald wird es für mich Zeit sein,
auf immer diese Welt zu verlassen, aus der ich mich selber und alle, die

mir folgen, erlöst habe, und in die Ruhe Nirvanas einzugehen.--
Und die Gegend mit wehmütigem Gefallen überblickend, sprach der
Erhabene bei sich selber:
"Lieblich fürwahr ist Rajagaha, die Stadt der fünf Hügel, reizend sind
ihre Umgebungen! Reich gesegnet sind die Felder, herzerfreuend die
baumbeschatteten, wasserblinkenden Auen, überaus anmutig die
buschigen Felsenhügel.--Zum letzten Male sehe ich ja jetzt von diesem
schönsten Punkte aus diese liebliche Gegend. Nur einmal noch, wenn
ich weiterziehe und mich auf jenem Joche umwende, werde ich von
drüben das liebliche Tal Rajagahas erblicken und dann nimmermehr."
In der Stadt ragten nur noch zwei Bauwerke goldig in das Sonnenlicht
empor: der
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 94
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.