Der Mann im Nebel - Roman

Gustav Falke
Der Mann im Nebel - Roman

The Project Gutenberg eBook, Der Mann im Nebel, by Gustav Falke
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Title: Der Mann im Nebel
Author: Gustav Falke
Release Date: February 13, 2004 [eBook #11075]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER MANN
IM NEBEL***
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Der Mann im Nebel
Roman
von
Gustav Falke
Hamburg 1916

Seinen lieben Freunden Karl Ernst Knodt und Frau Käthe herzlichst
zugeeignet

Erstes Buch

1.
Liebster Doktor!
Wie vermisse ich Sie, Sie Ausreisser. Nach wie vor führt mich mein
Berufsweg zweimal in der Woche an Ihrem alten Heim vorüber, und

ich werfe betrübte Blicke nach dem Eckfenster hinauf. Wie schön war's
da oben: ich auf Ihrem breiten etwas eingesessenen Sofa, Sie mir
gegenüber auf dem Stuhl, zwischen uns auf dem bücherbeladenen
Tisch eine Tasse Kaffee, ein Glas Bier oder ein Aquavit. Und dann
ging's los, über Literatur, Kunst und tausend Sachen.
Und Ihre alte Wirtin, die Frau Obersteuerkontrolleurswitwe, der man
diesen imponierenden Titel nicht ansah, mit ihrem roten Gesicht, ihrer
etwas waschfrauenmässigen Hausuniform und ihrer hastigen,
stossenden Sprechweise.
Und das einzige Likörglas, das kleine blaue Henkelglas, worin sie einer
ganzen Korona Aquavit kredenzte, von Mund zu Mund:
"Is nich'n hübsches Glas? Is aus Travemünde. Hab ich selbst
mitgebracht. Hübsches Glas. Ist es nich? Aus Travemünde. Hab'n
Schwester da, wissen Sie. Ja, 'n Schwester."
Sie lässt bestens grüssen. Sie hat jetzt ihre beiden Zimmer an einen
Zöllner vermietet, einen jungen "soliden" Menschen. Sie wissen, die
Frau Kontrolleur gibt viel auf das Solide.
Na, in Punkto Solidität. Unsolide waren wir nicht. Aber der Zöllner
wird uns über sein.
Ich vegetiere nun schon eine ganze Zeit lang so hin. Kein Vers, keine
Zeile. Lyrisch alles tot. Was Sie über meinen letzten Roman schrieben,
hat mich sehr erfreut. Ja, es steckt viel Beobachtung darin. Aber es ist
doch nichts mit diesem nüchternen Realismus. Ich möchte nun endlich
mal schreiben, was Sie meinen Pan-Roman nennen.
Mich auch mal lyrisch ausgeben. Stimmung. Psychologie. Alles
mögliche. Solche Dreiecksnatur, Sie brauchten den Ausdruck einmal,
so ein Porträt von Ihnen, Liebwertester, ein Individuum, das sich
zwischen den drei Punkten Weib, Kunst und Natur aufreibt, seine
Ringkämpfe mit sich aufführt. Ihre gefährlichen Anlagen potenziert, so
dass ein Ungeheuer daraus wird.
Aber geben Sie mir einen freundschaftlichen Stoss, dass ich kopfüber
in die Tinte schiesse, sonst wird's doch wieder nichts damit, und es
bleibt alles beim guten--Willen darf ich's gar nicht mal nennen, denn
wie gesagt, es sind tote Tage bei mir, Nebeldruck, Müdigkeit,
Stumpfsinn, wie immer, wenn ich eine Arbeit hinter mir habe und eine
neue sich erst heimlich vorbereitet wie das Saatkorn unter der
Wintererde.

Pan, ja Pan! Sie sitzen nun mitten drin, haben alles, was ich ersehne,
liegen auf dem Rücken und hören die Mittagsmusik des bocksbeinigen
Gottes, während ich hier Staub schlucke, Federn kaue und
Kindergeschrei anhöre.
Hier etwas, was ich aus dem Papierkorb für Sie wieder ausgrub, weil es
gerade hierherpasst. Etwas Böcklin-Nietzsche mit einem Stich ins
Scheerbartsche. Nichts Urgeborenes, also der Vernichtung gehörig.
Herzlichst
Ihr Gerd Gerdsen.
* * * * *
Tanz.
Pan bläst. Lass uns tanzen, du und ich. Auf der Sommerwiese, in der
Morgensonne lass uns tanzen, wo die weichen Winde sich deines
wehenden Blondhaares freuen werden.
Komm auf die Wiese!
Blumen werden sich unter unsere Füsse drängen und aufgescheuchte
Schmetterlinge unsern Tanz umtanzen, weisse und gelbe
Schmetterlinge, leuchtend in der Helligkeit des wachsenden Lichtes.
Pan lockt.
Wir wollen tanzen zu diesen Tönen. Und die Wiese tanzt, und der Wald
tanzt, die schwarzen Fichten mit dem roten Morgenkleid aus Sonne und
die bräutlichen Birken mit den jungfräulichen Gewändern aus
Silberseide.
Und die weissen Lämmer auf der blauen Himmelswiese werden hüpfen,
umeinander hüpfen, leichtwolliges Sommervolk, zu der Flöte des
Hirten.
Und die Sonne wird tanzen, die lachende Sonne, dass ihre Strahlen
auseinander wirbeln, uns umwirbeln, ein flimmernder, blitzender,
glitzernder Schleier, in dem wir uns im Kreise drehen, du und ich in
unserer nackten Schönheit und in unserer nackten Freude.
Komm, komm! Pan bläst.
Die Bocksfüsse übereinandergeschlagen, hockt er im Fichtenschatten,
Zottelbart, Waldschreck den Furchtsamen.
Wir aber tanzen vor ihm, nackt, über Blumen, zwei weisse
Schmetterlinge, trunken in Lust, trunken in nackter Lust.

2.

Lieber Gerdsen!
Herzlichen Dank für Ihren liebenswürdigen Brief. Ja, schreiben Sie, Ihr
Plan ist vorzüglich. Ich stelle mich Ihnen ganz zur Verfügung,
Eigentlich Pan-Roman, wie ich es meinte, wird es vielleicht nicht. Aber
einerlei. Sie haben recht: ab von dem Realismus Ihres letzten Romans.
Sie wissen, wie sehr ich ihn schätze, hochwerte, diesen Realismus:
künstlerisch, aufrichtig, schlicht, ohne
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