Der Kalendermann vom Veitsberg

O. Glaubrecht
Kalendermann vom Veitsberg,
by O. Glaubrecht

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Title: Der Kalendermann vom Veitsberg Eine Erzählung für das Volk
Author: O. Glaubrecht
Release Date: May 3, 2005 [EBook #15756]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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KALENDERMANN VOM VEITSBERG ***

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Der Kalendermann vom Veitsberg.
Eine Erzählung für das Volk
von O. Glaubrecht.

Dritte Auflage.
Mit einem Bilde.
Frankfurt a. M. und Erlangen.
Verlag von Heyder & Zimmer.
1853.

Sehet an, lieben Brüder, euren Beruf. Nicht viel Weise nach dem
Fleisch, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen, sondern was
thöricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, daß er die Weisen zu
Schanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott
erwählet, daß er zu Schanden mache, was stark ist; und das Unedle vor
der Welt und das Verachtete hat Gott erwählet, und das da nichts ist,
daß er zu nichte mache, was etwas ist; auf daß sich vor ihm kein
Fleisch rühme. (1. Korinter 1, 26-29.)

1. Der Gruß an den Leser aus der Heimath des Kalendermannes.
Wenn in unsern Tagen ein junger Mann sein Studium oder sein
Handwerk gelernt hat, wenn er auch seine Wartezeit hinter sich hat,
wenn er draußen gewesen ist in der Welt mit dem Reisebündel auf dem
Rücken, und er kehrt zur lieben Heimath wieder, wer will's ihm
verargen, daß er dann nach dem Plätzchen sich umsieht, wo er sein
Haus bauen und sein Geschäft treiben, und manchen stillen
Herzenswunsch befriedigen kann? Und unsere Zeit ist eine gütige
Mutter, für alle Wünsche ihrer Kinder hat sie auch die Erfüllung; sie
weiß Mittel und Rath, und wer es anders nur klug angreift, der findet
auch Haus und Brod. Ueberall wächst die Bevölkerung, aber mit ihr
auch die Klugheit, der Erde ihr Gewächs abzugewinnen, daß es den
Tausenden nicht an Brod fehle, und überall auch der Kunstfleiß, der
Neues schaffet und das Alte verbessert. Hätten wir vor hundert Jahren

gelebt und könnten einmal wieder unsere alte Heimath besuchen; sähen
wir da die Länder mit Straßen durchzogen, die wüsten Stellen in
fruchtbare Aecker umgewandelt, die Sümpfe ausgetrocknet und die
Eisenbahnen im Flug die Menschen zu einander führen; sähen wir in
Städten und Dörfern das Volk sich wie in einem Ameisenhaufen
durcheinander winden; wir würden uns wie Träumende vorkommen,
und die Heimath nicht wieder erkennen.
Denn an's Wunderbare gränzt der Fortschritt, den unsere Zeit vor den
früheren gemacht hat, unsere Zeit, die so Vielen nicht gefallen will.
Manchen gefällt sie nicht, weil sie nicht schnell genug geht, weil der
junge Mensch, der mit hoffendem Herzen in sie hineintritt, nicht seine
Zeit, oder vielmehr Gottes Zeit mit ihm, abwarten kann, und murret
und klagt, daß ihm nicht schnell genug geholfen werde.
Höre doch einmal, du Unzufriedener, von der Väter Zeit; die lehrte
warten. Da war auch das Herz der Jugend ungestüm, aber die lange
Wartezeit machte es kühl; da ward auch die Jugend gelehrt und
unterwiesen, länger und fast gründlicher, denn jetzt; aber die Mühe
fand nicht so schnell ihren Lohn; das Brod kam oft lange in kleinen
Laiben nur in's Haus, und unter Geduld und Warten mußte es im
Schweiße des Angesichtes gegessen werden. Wie viele Meister gab es
damals, die niemals eine eigne Werkstätte erlangten, sondern froh sein
mußten, Zeit Lebens das Gesellenbrod zu essen! Wie viel Künstler
gingen damals umher, den Kopf voll großer Entwürfe und schöner
Gedanken, und war Niemand da, der sie verstand! Wie viel studirte
Leute, die was Tüchtiges gelernt hatten, sah man noch über die Mitte
ihres Lebens hinaus umhergehen und nach einem Aemtchen suchen,
das ihnen das tägliche Brod geben könnte, und suchten oft lang und
immer vergebens! Wie ist in dem langsamen, tiefgründigen Strom jener
Zeit so manches Haupt untergegangen, das man jetzt hochheben würde,
damit es seiner Zeit leuchte! Wie ist damals manches Herz in Ungeduld
und Trübsinn gebrochen, dem nichts gefehlt hätte, als ein verwandtes
Herz, daran sich's anschmiegen und festhalten konnte!
Aber wie viel schöne, stille Bilder der Genügsamkeit, wie viel Bilder
der Gottseligkeit und einer Tugend, die wir fast nicht kennen, bot auch

wieder jene Zeit dar! Manches Herz, dem die Welt nicht hielt, was sie
ihm versprach, baute sich ungekannt von ihr ein stilles Haus des
Gottesfriedens. Unzerstreut und unverworren durch das Geräusch der
Welt ward Mancher ein Weiser in Gesinnung und in That und half das
Reich Gottes im kleinen, engen Raum ausbauen.
Von einem solchen weiß ich dir zu erzählen, mein lieber
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