Der Erste Theil von König Heinrich dem Vierten | Page 2

William Shakespeare

Gnädigster Herr; denn es kamen noch mehr ungleiche und mißbeliebige
Zeitungen aus Norden an. Am Kreuz-Erhöhungs-Tag geriethen dieser
muthreiche Hot-Spur, der junge Heinrich Percy, und Archibald, dieser
tapfre und
ruhmvolle Schotte, zu Holmedon in ein blutiges
Handgemeng, soviel man aus den Anstalten und der Wut des Angriffs
schliessen konnte; denn derjenige, der diese Zeitung brachte, eilte
mitten in der stärksten Hize des Gefechts davon, ohne den Ausgang
abzuwarten.
König Heinrich.
Hier ist ein werther und getreu-eifriger Freund, Sir
Walter Blunt, der nur eben von seinem Pferd abgestiegen ist, um uns
von Holmedon die willkommne Nachricht zu bringen, daß der Graf von
Douglas geschlagen sey. Zehntausend kühne Schotten, und drey und
zwanzig Ritter sah Sir Walter auf den Ebnen von Holmedon in ihrem
Blute sich wälzen. Mordak, Grafen von Fife, den ältesten Sohn des
geschlagnen Douglas, und die Grafen von Athol, Murry, Angus und
Menteith hat Hot-Spur gefangen bekommen. Ist das nicht eine schöne

Beute? Eine edle That? Ha, Vetter, ist es nicht?
Westmorland.
In der That, ein Sieg, worauf ein Prinz stolz zu seyn
Ursach hätte.
König Heinrich.
O warum nennst du dieses Wort, um traurige
Gedanken in mir zu erregen, und mich zur Sünde des Neids zu reizen,
daß Milord Northumberland der Vater eines so würdigen Sohns seyn
soll; eines Sohns, dessen Namen der Ruhm stets im Munde fährt; der
gleich dem höchsten Baum in einem Hayn, über alle andre emporragt;
der Liebling des Glüks, und ihr Stolz; indeß daß ich mit eben dem Blik,
der seinen Ruhm übersieht, zügellose Schwelgerey und Schande die
Stirne meines jungen Harry besudeln sehe. O könnt' es bewiesen
werden, daß irgend eine nächtliche trippelnde Fee unsre Kinder in der
Wiege verwechselt, und meinen Sohn Percy, den Seinigen

Plantagenet genennt hätte!--Aber laßt mich diesen Gedanken nicht
nachhängen--Was denkt ihr Vetter, von dieses jungen Percy Stolz? Er
behält die Gefangenen, die er in diesem Gefechte machte, für sich
zurük; und läßt mir sagen, daß ich keinen als Mordake, den Grafen von
Fife, haben soll.
Westmorland.
Das ist seines Oheims Eingebung, das ist Worcester,
der allen Anscheinungen nach übel gegen euch gesinnt ist; der ists, der
ihn seine Federn aufblähen, und seinen jungen Kamm gegen eure
Hoheit emporsträuben macht.
König Heinrich.
Ich habe nach ihm geschikt, um ihn deßwegen zur
Verantwortung zu ziehen, und das ist die Ursach, weswegen wir
genöthigt sind, unser heiliges Vorhaben nach Jerusalem aufzuschieben.
Vetter, wir wollen auf nächsten Mittwoch unsern grossen Rath in
Windsor versammeln. Benachrichtiget die Lords hievon, aber eilet
schleunig zu uns zurük; dann es muß noch mehr gesagt und gethan
werden, als uns der Unwille izt zu sagen erlaubt.
Westmorland.
Ich gehorche, mein gebietender Herr.
(Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.
(Ein Zimmer des Cron-Prinzen.)
(Heinrich, der
Prinz von Wales, und Sir John Falstaff treten auf.)
Falstaff.
He, Hal,* was für Zeit ists am Tage, Junge?
{ed. * Harry und Hal, sind abgekürzte Namen, statt Heinrich, so in
vertraulichem Umgang gebraucht worden.}
Prinz Heinrich.
Deine löbliche Gewohnheit, dich in altem Sect zu
besauffen, zu fressen, bis du alle Knöpfe aufthun must, und den ganzen
Nachmittag auf Bänken zu schnarchen, wikelt deinen Wiz in soviel Fett
und Schmeer ein, daß du so gar verlernst, recht zu fragen, was du recht
wissen möchtest. Was, zum Teufel, hast du mit der Zeit am Tag zu thun?
Ja, wenn die Stunden Becher voll Sect wären, die Minuten Capaunen,
die Gloken Zungen von Kupplerinnen, die Uhren Schilde von
H**häusern, und die schöne Sonne selbst ein hübsches roßiges Mensch
in feuerfarbem Taft, dann liesse sich noch begreiffen, warum du nach
der Zeit fragtest.
Falstaff.
Mein Treu, ihr geht mir nah' zu Leibe, Hal; denn wir andern,
die vom Beutelschneiden Handwerk machen, und beym Mond und dem

Silbergestirn herumgehen, und nicht beym Phöbus, "ihm dem edeln
Knecht so schön",** aber ich bitte dich, mein süsses Närrchen, wenn
du einmal König bist--wozu Gott deine Gnaden (Majestät wollt' ich
sagen, denn Gnade wirst du keine haben)--
{ed. ** (he, that wandring Knight so fair)--eine Zeile aus einer alten
Ballade.
Warburton.}
Prinz Heinrich.
Wie? Keine?
Falstaff.
Nein, mein Seel, nicht so viel als zu einem Prologus für ein
paar Eyer in Butter nöthig ist.
Prinz Heinrich.
Gut, und wie weiter? Hey da, rund heraus, keine
Umstände!

Falstaff.
Sapperment nun dann, Närrchen, wenn du König bist, so
sorge hübsch dafür, daß wir andre ehrlichen Kerle, die ihr Handwerk
bey Nacht treiben, bey Tage von der Justiz ungeschoren bleiben. Laß
uns der Diana ihre Forster bleiben, Ritter vom Schatten, Lieblinge des
Monds; und laß die Leute sagen, wir seyen Leute von guter

Aufführung, da wir, gleich der See, von unsrer edeln und keuschen
Gebieterin, dem Mond, geführt werden***, unter deren Schuz und
Anführung wir--stehlen.
{ed. *** Die Spässe des Hrn. John Falstaff sind nicht immer
übersetzlich, weil sie sich gar zu oft auf Wortspiele gründen, wie hier,
wo (government) und (govern) in einer ganz verschiednen Bedeutung
genommen werden, die sich im Deutschen nicht recht ausdrüken ließ,
und weswegen auch die Antwort des Prinzen nicht
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