Der Alpenkonig und der Menschenfeind | Page 2

Ferdinand Raimund
So ists auch in Geistersph?ren, Da? nicht all nach oben kehren Ihr entk?rpert Schattenhaupt, Und, des liebten Sinns beraubt, Auch der B?se schaut nach unten, An die finstre Macht gebunden. Und so wird der Krieg bedinget, Der die Welt mit Leid umschlinget, Der die Wolken jagt durch L��fte, Der auf Erden baut die Gr��fte, Der den Geist gen Geist entzweiet, Der dem Hai die Kraft verleihet, In des Meeres Flut zu w��ten, Der dem Nordhauch schenkt die Bl��ten, Der den Sturm peitscht gegen Schiffe, Da? zerschmettern sie am Riffe, Der die Menschen reiht in Heere, Da? sie zu des Hasses Ehre ��ber ihrer Br��der Leichen Sich des Sieges Lorbeer reichen-- Doch ich liebe Geisterfrieden, Bin dem Menschen gut hienieden, Hause nicht in Bergesschl��nden, La? in freier Luft mich finden. Hab auf H?hen, gl?nzend wei?, Auf des Gletschers k��hnstem Eis, Mein kristallnes Schlo? erbaut, Das der Sterne Antlitz schaut. Und dort blick aus klaren R?umen Auf der Menschheit eitles Tr?umen Mitleidsvoll ich oft herab. Doch wenn ich am Pilgerstab Manch Verirrten wandern sehe, Steig von meiner wolkgen H?he Nieder ich zum Erdenrunde, Reich ihm schnell die Hand zum Bunde Und leit ihn mit Freundessinn Zum Erkenntnistempel hin. (Ab.)

Vierter Auftritt
Auf der entgegengesetzten Seite Malchen, Lischen. Erstere im lichtblauen Sommerkleide, einen Strohhut auf dem Haupte, l?uft fr?hlich voraus.
Malchen. Ach, das hei? ich gelaufen, wie pfeilschnell doch die Liebe macht! (Sieht sich um.) Hier ist mein teures Tal. Wie herrlich alles bl��ht, heut gl?nzt die Sonne doppelt sch?n, als w?re Festtag an dem Himmel und sie des Festes K?nigin. Ach, wie dank ich dir, du liebe Sonne, da? du mir meinen August bringst. Lischen, Lischen! (Ruft in die Kulisse.) Wo bleibst du denn? Wie ?ngstlich sie sich umsieht. Was hast du denn?
Lischen (kommt ganz verwirrt und sehr geschw?tzig). Aber Sie ungl��ckseliges Fr?ulein, wie k?nnen Sie sich denn heute in diese ber��chtigte, verrufene, bezauberte Gegend wagen? Haben Sie nicht die wilde Jagd geh?rt? heut ist der Alpenk?nig los. H?tt ich das gewu?t, Sie h?tten mich nicht mit zwanzig Pferden aus dem Haus gezogen. Aber Sie weckten mich auf, sagten mir, ich sollte mich schnell anziehen, Sie wollten Ihrem August entgegeneilen, der heute von seiner Kunstreise aus Italien zur��ckk?mmt.
Malchen. Nun, das tat ich ja. Hier erwart ich meinen August. Sein letzter Brief nennt mir den heutgen Morgen. Hier schieden wir in Gegenwart meiner Mutter vor drei Jahren mit betr��btem Herzen voneinander. Du wei?t, da? mein Vater schon damals gegen unsere Liebe war, obwohl Augusts Onkel starb und ihm einiges Verm?gen hinterlie?, schlug er ihm doch meine Hand ab, geriet in den heftigsten Zorn und warf ihm Talentlosigkeit in seiner Malerkunst vor. August, auf das bitterste gekr?nkt, beschlo?, nach Italien zu reisen, um seinen Kummer zu zerstreuen und sich an den gro?en Mustern zu bilden. Hier schwor er mir ewge Treue, meine gute Mutter versprach uns ihren Beistand, doch du wei?t, wie es um meinen armen Vater steht. Hier haben wir uns getrennt, hier gelobten wir uns wieder in die Arme zu st��rzen. Nach seinen Briefen hat er gro?e Fortschritte in seiner Kunst gemacht.
Lischen. Was Italien, was Kunst, was helfen mir alle Maler von ganz Italien und Australien! In diesen Bergen haust der Alpenk?nig. Und wenn uns der erblickt, so sind wir verloren.
Malchen. So sei nur ruhig, es wird ja den Hals nicht kosten.
Lischen. Aber die Sch?nheit kanns kosten, und der Verlust der Sch?nheit geht uns M?dchen an den Hals. Und wie innig ist die Sch?nheit mit dem Hals verbunden, wer halst uns denn, wenn wir nicht sch?n mehr sind? Wissen Sie denn nicht, da? jedes M?dchen, das den Alpenk?nig erblickt, in dem Augenblick um vierzig Jahre ?lter wird? Ja sehen Sie mich nur an, keine Minute wird herabgehandelt. Vierzig Jahre, und unsere jetzigen auch noch dazu, da wird eine sch?ne Rechnung herauskommen. Stellen Sie sich die Folgen einer so entsetzlichen Verwandlung vor. Was w��rde ihr geliebter Maler dazu sagen, wenn er in Ihnen statt einer bl��henden Fr��hlingslandschaft eine ehrw��rdige Wintergegend aus der niederl?ndischen Schule erblickte, was w��rden alle meine Anbeter dazu sagen, wenn der Anblick dieses Unget��ms meine Wangen in Falten legte wie eine hundertj?hrige Pergamentrolle?
Malchen. Aber wer hat dir denn solche M?rchen aufgebunden? Beinahe k?nnt ich selbst in Angst geraten. Es gibt gar keinen Alpenk?nig.
Lischen. Nicht? Nun gut--bald werd ich Sie wie meine Gro?mutter verehren. Folgen Sie mir, oder ich laufe allein davon. (Will fort.)
Malchen. So bleib nur, mein August wird bald hier sein, die Sonne steht schon hoch, du mu?t mir Toilette machen helfen, der Wind hat meine Locken ganz zerr��ttet. Du hast doch den kleinen Spiegel mitgenommen, wie ich dir befahl?
Lischen. Ei freilich, ach, h?tt ich lieber meine Angst vergessen!
Malchen. So. (Setzt sich auf den Baumstamm und ?ffnet ihre Locken. Lischen steht mit dem Spiegel vor ihr.) Halt ihn nur! Wei?t du, Lischen, ich mu? mich doch ein wenig zusammenputzen, er k?mmt aus
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