Chr. M. Wielands Biographie | Page 2

H. Doering
Die Liebe zur Einsamkeit blieb ein vorherrschender Zug in seinem Charakter. Oft brachte er nicht blos einen gro?en Theil des Tages, sondern auch manche Sommernacht in dem an der v?terlichen Wohnung gelegenen Garten zu. In froher Erinnerung an seine Jugendzeit dichtete er sp?ter (1780) in seinem "Oberon" die Verse: "Du kleiner Ort, wo ich das erste Licht gesogen, den ersten Schmerz, die erste Lust empfand" u.s.w. In einem sp?tern Briefe an einen Freund gestand Wieland, da? sein Jugendleben in einer anmuthigen Gegend gro?en Einflu? auf seine Bildung gehabt habe.
Sein vierzehntes Jahr hatte er kaum erreicht, als ihn sein Vater nach der bei Magdeburg gelegenen Lehranstalt Klosterbergen sandte. Unter dem Abt Steinmetz, dem damaligen Director jenes Instituts, war Wieland, bei dessen Hinneigung zum Pietismus, der Gefahr ausgesetzt, ein religi?ser Schw?rmer zu werden. Seine Liebe zur Einsamkeit fand in Klosterbergen neue Nahrung. Heilsam war ihm daher das mit besonderem Eifer betriebene Studium der neuern Sprachen. Im Franz?sischen machte Wieland, ungeachtet eines sehr mittelm??igen Lehrers, schnelle Fortschritte. Bald war er im Stande, ohne H��lfe eines W?rterbuchs, mehrere franz?sische Schriftsteller zu lesen. Fontenelle, d'Argens und Voltaire waren seine Lieblinge, obschon der Letztere durch seinen Spott ��ber religi?se Gegenst?nde Wielands Gef��hl emp?rte. Er war durch diese Lect��re allm?lig ein Skeptiker geworden. In einem philosophischen Aufsatze suchte er zu beweisen, da? das Universum, ohne einen Gott, aus ewigen Elementen sich habe bilden k?nnen. Die harten Vorw��rfe, die ihn von seinem Lehrer wegen dieses Jugendproducts trafen, konnte nur Wielands tadelloses, rein sittliches Leben einigerma?en mildern. Er klagte jedoch sich selbst hart an wegen seiner Zweifel an der Existenz Gottes. In schlaflosen N?chten rang er sich die H?nde fast wund, und vergo? bittere Thr?nen der Reue. Er war an seinem Glauben irre geworden, und f��rchtete die Ewigkeit der H?llenstrafen.
Eine freiere Richtung nahm Wielands Geist, als er sich wieder den classischen Studien zuwandte. W?hrend seines zweij?hrigen Aufenthalts hatte er den Livius, Terenz, Horaz, Virgil und andere r?mische Autoren f��r sich gelesen. Auch einige griechische Schriftsteller w?hlte er zu seiner Lect��re. Den gr??ten Einflu? auf seine Denk- und Sinnesart gewann Xenophon. In sp?tern Jahren erz?hlte Wieland, wie er sich damals an der Cyrop?die nicht habe satt lesen k?nnen. Besonders gefiel ihm die Episode von "Araspes und Panthea," die er sp?terhin zum Stoff einer Dichtung w?hlte. Die "Denkw��rdigkeiten des Sokrates" galten ihm, nach seinem eignen Ausdruck, f��r "das Evangelium der Welterl?sung." Eine ?hnliche Richtung, wie sie Xenophon verfolgte, fand Wieland in dem =Spectator=, =Tatler=, =Guardian= und andern englischen Journalen, die ihm damals zuf?llig in die H?nde geriethen.
Philosophische Studien, die er schon fr��h lieb gewonnen hatte, behielten noch immer einen lebhaften Reiz f��r ihn. Unter den Alten war Cicero sein Liebling. Das ernste Studium von Wolfs Schriften und von Bayle's historisch-kritischem W?rterbuche vollendete Wielands philosophische Bildung. In sp?tern Jahren gestand er, da? er "durch eine poetische Manier, in den metaphysischen =terris incognitis= herum zu vagiren," damals von einem System zum andern ��bergesprungen sei. Von diesem Schwanken befreite ihn einer seiner Lehrer, R?ther mit Namen, der sich seiner wahrhaft v?terlich annahm. Auch der Conventual Gr?ter machte sich vielfach um seine Geistesbildung verdient.
Wielands Flei? w?hrend seines zweij?hrigen Aufenthalts in Klosterbergen war musterhaft. Neben seinen philologischen und philosophischen Studien betrieb er mit Eifer sein k��nftiges Berufsfach, die Theologie. Er fand noch Mu?e, sich im deutschen Styl zu ��ben, f��r den in den damaligen Lehranstalten wenig gesorgt war. Belehrend waren f��r ihn die zahlreichen Beispiele aus alten und neuern Schriftstellen in Breitinger's kritischer Dichtkunst. Auch durch das Lesen mancher kritischer Bl?tter suchte er sich zu bilden. Er fand darin reichen Stoff zum Vergleichen und Pr��fen, nachdem er seine eignen poetischen Kr?fte mehrfach versucht hatte.
Obgleich weniger productiv, als fr��her, hatte Wielands Neigung zur Dichtkunst sich nicht vermindert. Anziehend waren f��r ihn, au?er Gellert und Hagedorn, besonders Hallers Gedichte durch ihren philosophischen Inhalt und durch die W��rde der Sprache. Verdr?ngt aber wurden jene Dichter, als Klopstock mit seinem "Messias" hervortrat. Unbeschreiblich war Wielands Enthusiasmus, als er die ersten Ges?nge jener Dichtung in den "Neuen Beitr?gen zum Vergn��gen des Verstandes und Witzes" gelesen hatte. Er fand in jenen Ges?ngen volle Befriedigung f��r Geist und Herz, f��r seine Religi?sit?t und f��r sein poetisches Gef��hl.
Der Dichtkunst blieb Wieland auch in Erfurt treu. Auf den Wunsch seines Vaters hatte er sich 1749 in die genannte Stadt begeben. Er war damals sechszehn Jahre alt. Den gr??ten Theil der poetischen Versuche, die in jener Zeit entstanden, verwarf Wieland wieder, oder lie? sie wenigstens unvollendet. Zu einem ziemlich langen Epos in Hexametern bot ihm die griechische Mythologie den Stoff. Unter solchen Besch?ftigungen f��hrte er auch in Erfurt ein einsames Leben. Der Mangel eines Jugendfreundes n?thigte ihn, sich an ?ltere Personen anzuschlie?en, zu denen ihn der Ernst seines Wesens ohnedie? hinzog.
Einen v?terlichen Freund fand er in Erfurt an dem mit seiner Familie verwandten =Dr.= Baumer, der sp?ter eine Professur der Medicin und Chemie in Gie?en erhielt,
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