Aus dem Durchschnitt - Roman

Gustav Falke
Aus dem Durchschnitt, by
Gustav Falke

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Title: Aus dem Durchschnitt
Author: Gustav Falke
Release Date: February 16, 2004 [eBook #11108]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK AUS DEM
DURCHSCHNITT***
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Aus dem Durchschnitt
Roman

von
Gustav Falke
Hamburg
1900

Meinem Bruder Albert gewidmet.

I.
Dem undurchdringlichen Nebel des Märzabends war eine Frostnacht
gefolgt. An der Ecke der Gärtnerstraße und des Durchschnitts, in einem
östlichen Vororte Hamburgs, hatte am Morgen darauf die Glätte des
übereisten, abgenutzten Straßendammes ein Opfer gefordert. Ein
Droschkenpferd war so unglücklich gestürzt, daß an eine Rettung des
gutgepflegten, wertvollen Tieres nicht zu denken war. Beide
Vorderbeine waren dem Dunkelbraunen gebrochen. Schweißbedeckt,
mit heftig arbeitenden Lungen, lag er in dem Kreis der schnell
zusammengelaufenen Gaffer.
Der Kutscher, ein älterer Mann, stand in dumpfer Resignation dabei.
"Dat verdammte Jis, dat verdammte Jis", wiederholte er nur immer. Ein
Schlachter drängte sich durch die Menge:
"Na, Beuthien, is he henn?"
"To'n Dübel is he", brach der verhaltene Grimm des Angeredeten los.
Er warf die Peitsche mit einem Fluch auf die Erde und machte sich
daran, den keuchenden Gaul von allem Geschirr zu befreien.
Der Frager und ein junger kräftiger Mann, dessen frisches,
wettergebräuntes Gesicht unverkennbare Aehnlichkeit mit dem
Kutscher aufwies, waren dem hart Betroffenen behilflich.

"Harst doch man Liesch nohmen, Vadder", meinte der junge Mann.
"Schnack morgen klok", war die verbissene Antwort.
In dem Knaul der sich noch immer vermehrenden Zuschauer hielten
sich Mitleid, Neugier und Lust am Unglück die Wage. Auch fehlte es
nicht an schlechten Witzen. Vergeblich bemühte sich ein Schutzmann,
die Menge zu zerstreuen. Er ließ seinen Aerger dafür an den Kindern
aus, aber die auf der einen Seite mit barschem Wort verjagten,
schlossen sich auf der anderen beharrlich wieder an.
Hatte das Publikum nur spöttische Mienen, halblaute Scherze für die
heilige Hermandad, so war die Besitzerin des Eckladens, eines
Geschäftskellers, in dem sich eine Weiß- und holländische
Warenhandlung befand, um so energischer bemüht, den Mann der
Ordnung wenigstens durch ihren Beifall aufzumuntern. Sie war um ihre
Spiegelscheiben besorgt.
Die kleine, rundliche Frau war in beständiger Bewegung. Unter
Mittelmaß, kostete es ihr verzweifelte Anstrengungen, dann und wann
einen Blick auf den Gegenstand der allgemeinen Neugier zu
ermöglichen.
Einmal versuchte sie sogar, sich von ihrem niedrigen Standpunkt aus
dennoch einen Anteil an der Aktion zu sichern.
"Na, Herr Beuthien, is er tot?" fragte sie mit heller, durchdringender
Stimme in das Gewühl hinein.
"Ne, man so'n bischen", rief ein vorlauter Junge zurück, unter dem
Gelächter der Umstehenden.
Ein Dienstmädchen suchte, mit unwilligem Ellbogenstoß die
Zärtlichkeit eines Gesellen abwehrend, die Nähe der Geärgerten zu
gewinnen.
"Morgen, Frau Wittfoth! ich wollt' nur für'n Groschen Haarnadeln
haben, von die langen, wissen Sie woll. Ich komm gleich retour, will

man bloß mal eben Kartoffel holen."
"Recht, Fräulein, holen Sie man bloß mal eben Kartoffel", lachte die
Wittfoth.
Gewandt schlüpfte das Mädchen durch das Gedränge.
Allmählich verlor sich die Menge. Das gestürzte Tier ward bis zur
Ankunft des Frohnes durch übergeworfene Decken dem Anblick der
Vorübergehenden entzogen. Vereinzelt sich anfindende Neugierige
wies der Schutzmann sogleich weiter. Eine halbe Stunde später zeugte
nichts mehr von dem Vorfall.
Frau Caroline Wittfoth war noch beim Sortieren der
Haarnadelpäckchen beschäftigt, ihr nervöser Ordnungssinn hatte immer
irgend etwas zu richten, zu verändern und zu verbessern, als auch schon
jenes Dienstmädchen, mit der gefüllten Kartoffelkiepe am Arm, laut
und fahrig in den Laden trat.
"Nu?" fragte sie mit strahlendem Lachen. "Haben Sie mich die Nadeln
rausgesucht?"
"Sie feiern wohl Geburtstag heute?" meinte die Wittfoth, die verlangten
Haarnadeln einwickelnd.
"Ich? Ne, wie meinem Sie das?"
"Na, ich meine man, weil Sie so vergnügt sind."
"Das sagen Sie man. Mal will unsereins auch lachen. Aergern thut man
sich so schon genug."
"Haben Sie wieder was mit ihr gehabt?"
"Mit ihr nich. Mit ihr werd ich schon fertig. Aber die andere, die meint
wunder, was sie ist, und muß sich doch auch man selbst kratzen, wenn
ihr was beißt."
"Nu aber raus", rief Frau Caroline lachend, beleidigtes Feingefühl

erheuchelnd. Die andere ließ sich jedoch gemütlich auf dem einzigen
Rohrstuhl an der Tonbank nieder.
"Die? das glauben Sie gar nich", fuhr sie fort auszukramen. "Nächstens
ißt sie auch nicht mehr vor Faulheit. Meinen Sie, sie stippt einen Finger
in Wasser? I bewahre, könnt ja naß sein".
"Wie man nur so sein mag", ging Frau Caroline auf die Unterhaltung
ein. "Wenn ich die Mutter wäre".
"Die? die stellt nichts nich mit ihr auf".
"Der Herr sollte sie man mal
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