An heiligen Wassern | Page 2

Jakob Christoph Heer
wo der Weg auf einem vielhundertj?hrigen vermoosten Br��ckenbogen ��ber die Schlucht nach dem Schmelzwerk St. Peter hin��berspringt.
Um die halb zerfallenen Geb?ude des ehemaligen Bergwerkes dehnt sich des Teufels Garten.
Auf H��geln alter verglaster Schlacken bl��ht der rote Mohn, die K?nigskerze reckt ihre goldigen Bl��tensch?fte, das Singr��n spinnt seine blauen Blumenketten um die Scherben, allerlei bl��hender Wust und viele Brennesseln wuchern zwischen ihnen empor, stahlblaue Fliegen und Schmetterlinge gaukeln ��ber die wilde Pracht.
An einem verkr��ppelten Ahorn stand an jenem Nachmittage, wo Peter Waldisch, der Pr?sident von St. Peter, durchs Thal fuhr, eine Mauleselin angebunden. Sie sch��ttelte den Kopf, scharrte mit dem linken Vorderfu? und erhob trotz dem Schatten, den ihr die Ruine spendete, von Zeit zu Zeit ein kl?gliches Geschrei. Dann tauchte aus der wilden Ueppigkeit der bunt bekr?nzte Schwarzkopf eines M?dchens auf, das auf den blo?en braunen Armen ein ��berm?chtiges B��ndel von Blumen trug. ?Ich komme, Galta, ich komme,? rief sie dem Tier beg��tigend zu, dann verschwand die ganze Gestalt wieder in den Wogen des Sommerwustes, bis sie so viel Blumen an die Brust dr��ckte, als ihr Arm fassen konnte. Da watete sie endlich aus der Wirrnis. Ihr kurzes R?ckchen sch��tzte sie nur bis wenig unter die Kniee, aber gewandt wie ein Wiesel wich sie den vielen Brennesselb��schen aus, die ihre nackten F��?e und Waden bedrohten. Eine lebendig gewordene Bronzefigur, Gesicht, Arme, F��?e sonnengebr?unt, war sie fast so wild wie die Wildnis, die sie durchschritt, im Kopf standen ein paar feurige Augen, wie die einer Zigeunerin; doch sah man dem M?dchen gleich an, da? es kein Bauernkind war, daf��r war alles an ihr zu zart und zu fein.
Sie eilte mit leichten F��?en ��ber die Br��cke zu der alten Kapelle, kniete nieder und steckte ihre Blumen in das h?lzerne Vorgitter des kleinen Gotteshauses, so da? es bekr?nzt war wie f��r ein Fest.
?Das wird die Mutter Gottes freuen!? sagte sie, ihr Werk betrachtend.
Pl?tzlich horchte sie neugierig und verwundert in die blaue warme Luft. Ein Rollen wie von fernem Gewitter ging durch die Stille des Nachmittags. Es war Lawinendonner, den die Luft von den Bergen herniedertrug. Am schmalen Himmelsband ��ber dem Thal waren wei?e F?hnstriche hingeweht, die Schl?ge der Fr��hsommerlawinen und kleinen Gletscherbr��che lebhafter denn sonst.
Jetzt blickte sie von der Kapelle den Weg hinab und legte die Hand zum Schutz gegen die brennende Sonne ��ber die dunklen Augen.
Der Vater kam noch nicht, daf��r zwei Kinder mit Tragkraxen, beide mit Bergst?cken in der Hand.
?Vroni! Josi!? Mit lebhaftem Ausbruch der Freude sprang sie ihnen entgegen.
?Hast schwer, Vroni? Hast schwer, Josi? H?ttet ihr die Last meinem Vater auf das W?gelchen gegeben, er ist heute nach Hospel gefahren, ich erwarte ihn hier mit Vorspann.?
Josi sch��ttelte nur den Kopf. Die beiden Geschwister stellten ihre Kraxen auf die h?lzerne Bank vor der Kapelle, wischten sich den Schwei? aus der Stirn und setzten sich gelassen hin. Binia, die Blumensucherin, betrachtete die beiden wohlgef?llig. Vroni, unter deren niedrigem altem Strohhut das Goldhaar hervorquoll und in gl?nzenden F?den um die ger?teten Wangen flog, war nur ein Jahr, Josi, der kr?ftige Bursch, der einen ?hnlichen Hut trug, zwei Jahre ?lter als sie. Und sie war zw?lf.
?Sechzig Pfund hab' ich,? sagte Josi, die Beine schlenkernd, an denen die schwergenagelten Holzschuhe klapperten, ?die Vroni hat vierzig, ob so viel Mehl wohl reicht bis zur Ernte??
?Es wird schon langen m��ssen, aber dann wird's gut, das Aeckerchen tr?gt dieses Jahr viel Korn,? erwiderte Vroni hausm��tterlich froh.
Da ging wieder ein langhallender Donner durch die Ruhe des Thales. Josi sprang auf: ?Ja, es ist doch wahr. Die Wildleutlaue geht wieder los! Sieben Jahr ist der Gletscher zur��ckgegangen und sieben Jahr gewachsen, das letzte Jahr war ein schlechter Sommer und jetzt ist ein guter -- da bricht der Eissturz los!?
Binia lie? die Schwarzaugen funkeln, Vroni mahnte ab: ?Sage nichts S��ndiges, schau' doch in die Kapelle, wie viel Marterkreuze von denen an den W?nden stehen, die in die Felsen haben steigen m��ssen, wenn das helige Wasser von der Wildleutlawine zerst?rt worden ist.?
Die Kinder warfen einen schaudernden Blick in die D?mmerung der Kapelle. Ihre W?nde waren mit h?lzernen und eisernen T?felchen ganz bedeckt, auf denen die Namen von Verungl��ckten und fromme Spr��che standen.
?O, wie traurig,? sagte Vroni, ?da ist es kein Wunder, wenn die Leute bei uns nicht so laut singen und lachen m?gen, wie drau?en im gro?en Thal und alle so still und ernst sind.?
Aber die anderen hatten keine Lust, ihren Betrachtungen zu folgen.
?Du, Vroni, erz?hl' uns doch wieder einmal die Geschichte von den heligen Wassern, du erz?hlst sie so sch?n,? schmeichelte Binia, indem sie sich flink zwischen die Geschwister dr?ngte und an die Freundin schmiegte.
?Das ist eine lange Geschichte,? warf Vroni ein, es war aber, als gehe von den dunklen Augen Binias ein Zwang auf sie, sie l?chelte und streckte die rote Sch��rze zurecht: ?Ja, nun so, wir kommen schon noch heim.?
Von ihrer Mutter hatte Vroni den Ruf einer geschickten Erz?hlerin
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